Helmut Sturm

"Aus der Spielzeugkiste der Wirklichkeit"

No. 03/2020

„Der Maler weiß viel, aber erst nachher“, beschreibt Helmut Sturm (1932–2008) seine spontane bildnerische Auseinandersetzung mit der Leinwand, deren Grenzen er aufbricht. Erstmals nach dem Tod des Künstlers beleuchten drei Museen in enger Zusammenarbeit mit dem Archiv Helmut Sturm sein malerisches und zeichnerisches Werk von 1957 bis 2007 wie auch seine Wirkkraft bei den ersten Avantgardebewegungen nach 1945.

Helmut Sturm, Ohne Titel (Buchstabenbild), 1978–1982, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Bei der Ausstellung Helmut Sturm. Spielfelder der Wirklichkeit handelt es sich um die erste umfassende Retrospektive des Künstlers, die lange erwartet wurde. Denn Helmut Sturm, der sich bereits in seinen Studienjahren an der Münchner Akademie mit dem Kubismus, dem Informel sowie mit Positionen wie Kandinsky, Beckmann, Kooning und Vedova auseinandersetzte, trug maßgeblich zur künstlerischen Aufbruchsstimmung der 60er Jahre bei: Als Initiator und Mitglied von SPUR (1957–1965), SPUR WIR (1965), GEFLECHT (1966–1968) und KOLLEKTIV HERZOGSTRASSE (1975–1982) gelangte er durch Strömungen wie die Situationistische Internationale (1957–1972) und unter Einfluss von Asger Jorn zu seiner Bildsprache, die geistreich provozierte und spielerisch vermeintliche Antipole vereinte.

Experimente mit Farbe, Form und Zeichen, ein Ausloten der Räumlichkeit und Schichtung, ein Improvisieren mit anti-hieratischen Materialien, die Verbindung von Abstraktion und Figuration, Fläche und Linie, Buntem und Unbuntem waren nur ein Teil des Pools, aus dem Helmut Sturm über fünf Jahrzehnte schöpfte: „Das Bild ist für mich […] ein räumlich bewegtes Spielfeld: Mit Farbflecken, darüber gelegten Linien, dazwischen geworfenen Versatzstücken und allerlei Gerümpel aus der ,Spielzeugkiste der Wirklichkeit‘ wird ein bildnerisches Geschehen simuliert, dessen Ausgang noch Raum genug für die Imagination des Betrachters läßt.“

Nacheinander zeigen die Kunsthalle Emden, das Museum Lothar Fischer in Neumarkt i. d. Oberpfalz und das Kunstmuseum Ravensburg, die in ihren Sammlungen zentrale Werke des Künstlers besitzen, die großangelegte Schau, die in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste München 2022 ihren Schlussakkord findet. Anhand zahlreicher Arbeiten durch alle Schaffensphasen wird erstmals die Bandbreite Helmut Sturms erfahrbar: die Entwicklung des eigenen Malstils in Wechselwirkung mit Strömungen seiner Zeit, die fruchtbare Vernetzung mit Wegbegleitern sowie die internationale Verankerung des Künstlers. af

Cover für Helmut SturmHelmut Sturm. Spielfelder der Wirklichkeit
Bis 17. Januar 2021
Kunsthalle Emden
Katalog zur Ausstellung
Text: Deutsch u. Englisch in getrennten Ausgaben
256 Seiten, 197 Abbildungen
Hirmer Verlag € 39,90