Hello World

Blinde Flecken in der Kunstgeschichte

No. 02/2018

„An artist who cannot speak English is no artist“ – ein Künstler der kein Englisch spricht, ist kein Künstler. Dieses Transparent des aus Belgrad stammenden Künstlers Mladen Stilinovic´ empfängt aktuell die Besucher des Museums für Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof in Berlin. Es steht als Synonym für den lang tradierten Vorrang eines westlich geprägten Blicks auf die Kunst.

Walter Spies, Rehjagd, 1932, © 2012 Adrian Vickers

Mit Hello World. Revision einer Sammlung hinterfragt Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, diesen einseitigen Blick jetzt radikal. Er hat sich damit an ein gleichermaßen ambitioniertes wie mutiges Ausstellungskonzept gewagt. Gemeinsam mit zwölf Co-Kuratoren deckt er Fehlstellen in der Sammlung sowie blinde Flecken in der Kunstgeschichte auf und konzipiert seine Museumsschau gewissermaßen aus dem historischen Konjunktiv heraus: Wie sähe die Sammlung der Nationalgalerie heute aus, hätte man nicht nur den engen Kunstbegriff Westeuropas und Nordamerikas, sondern auch Kunstströmungen der restlichen Welt berücksichtigt? Was wäre, hätte man sich damals nicht-westlichen Ausdrucksformen und transkulturellen Ideen gegenüber geöffnet? Aus der Perspektive einer globalisierten Gegenwart versucht die gigantische Museumsschau eine Art Weltkunst vor Augen zu führen, die eventuell möglich gewesen wäre, hätte es nicht zwei Weltkriege, Naziterror, Ost/West-Teilung und Wiedervereinigung gegeben. All diese Ereignisse haben gravierende Spuren in einer Sammlung hinterlassen, die seit 1861 besteht, insgesamt vier Häuser füllt und für Hello World zusätzlich mit Leihgaben aus dem ethnologischen Museum, dem Kupferstichkabinett, dem Museum für Asiatische Kunst und dem ibero-amerikanischen Institut in Berlin ergänzt wird. Der Fundus, aus dem die Ausstellung schöpft, ist also enorm. In 13 Kapiteln bzw. Räumen werden Momente transnationalen Austauschs, künstlerischer Kooperation und Einflussnahme beleuchtet und an Künstler/innen wie Marta Minujín, Wolfgang Paalen oder Walter Spies festgemacht. ck

Cover für Hello World Hello World 
Revision einer Sammlung
Bis 26. August 2018
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin

Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 59,90