Grenzgänger

Objekte, die in keine Schublade passen

No. 03/2022

Was verbindet einen Sakristeischrank aus dem 15. Jahrhundert, der vermutlich nie in einer Sakristei stand, die Korallenkabinette von Erzherzog Ferdinand, die er in seiner Kunst- und Wunderkammer aufbewahrte, und vergoldete Straußeneipokale miteinander? Sie alle sind „special objects“, die sich durch ihre Besonderheit, sei es materieller, technischer oder funktionaler Art, der gängigen Kategorisierung der Kunstgeschichte entziehen.

Clement Kicklinger, Straußeneipokal, um 1570/75, Kunsthistorisches Museum, Wien

Der Band Special Objects versammelt eine vielfältige Auswahl aus dem 11. bis 18. Jahrhundert und zeigt, wie sich der kunsthistorische Blick enorm erweitert, wenn er über die Bildwissenschaft hinaus auch die Objektwissenschaft mit einbezieht. Trotz berechtigtem Anspruch an wissenschaftlich fundierte Inhalte – die Texte sind dennoch gut verständlich – hat der Bildband einen hohen Unterhaltungswert im Sinne von Entdeckerglück.

Objekte erzählen Geschichten – von ihrer Entstehung und ihrem Gebrauch, von ihrem kulturellen Kontext oder ihrer Symbolkraft. Ein Beispiel dafür ist der Straußeneipokal, der seinem fürstlichen Besitzer Stärkung des Charakters durch Widerstand vor Augen geführt haben mag, wofür der Vogel Strauß in der Renaissance und im Barock stand. Mit der Betrachtung solcher „special objects“ weist die Objektwissenschaft auf die wichtige Rolle von dreidimensionalen, beweglichen Artefakten in einer global und interdisziplinär aktiven Kunstgeschichte hin. um

 

 

 

Cover für Special ObjectsSpecial Objects. Werke jenseits von Norm und Kanon
Hrsg. von Peter Scholz, Stefan Weppelmann
Text: Deutsch
168 Seiten, 141 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 34,90