Freiheit im Denken
Hundertwassers Frühwerk
No. 01/2013
Friedensreich Hundertwasser ist mehr als ein geheimnisvoller Einzelgänger, ein unverstandener Außenseiter. Die Ausstellung Hundertwasser, Japan und die Avantgarde im Belvedere in Wien hat sich die Neuentdeckung seines Frühwerkes zur Aufgabe gemacht und zeigt den Künstler in einem bisher ungekannten, internationalen Kontext.
Eine ganz neue Sichtweise auf das Werk Hundertwassers ermöglicht die Direktorin des Belvedere, Agnes Husslein-Arco. Dem Missstand, dass das Werk „getrost als unverstanden“ bezeichnet werden kann und „seine kunsthistorische Bedeutung weitgehend unbeleuchtet“ ist, soll die aktuelle Ausstellung in der Orangerie entgegenwirken. Anhand rund 50 seiner Werke, die zusammen mit Arbeiten internationaler Avantgardisten und Weggefährten wie Yves Klein, Shinkichi Tajiri, Akira Kito, Lucio Fontana, Pierre Alechinsky, Constant, Corneille, Sam Francis und Mark Tobey präsentiert werden, thematisiert die Schau sowohl Hundertwassers Bedeutung innerhalb der Avantgardebewegung als auch seine Beziehung zu Japan in den 1950er Jahren. Künstlerisch hat sich Hundertwasser bereits in den späten 1940er Jahren und frühen 1950er Jahren mit der japanischen Kunst und Kultur auseinandergesetzt, in der er, wie viele andere Künstler seiner Zeit, ein Reformpotenzial sah. Die fernöstliche Denkweise mit ihrer ganzheitlichen Kunstauffassung und der Zen-Buddhismus wurden für ihn zu einer wesentlichen Inspirationsquelle. Sein zentrales Werk Der große Weg, aus dem Bestand des Belvedere, ist ein typisches Beispiel für das Zusammenspiel fernöstlicher Philosophie und westlicher abstrakter Kunst. Zum ersten Mal werden in einer Schau die Werke Hundertwassers zusammen mit Arbeiten seiner Weggefährten und Künstlerkollegen gezeigt, die sich ebenfalls von fernöstlichen Anschauungen inspirieren ließen. Die Ausstellung ist in sechs Bereiche unterteilt: „Die Architektur“, „Der Garten“, „Japan“, „Die Linie“, „Reise – Weg – Prozess“ und „Freiheit und Abstraktion“. „Die Architektur“ thematisiert Hundertwassers Plädoyer für individuelle schöpferische Freiheit – jeder Mensch könne, solle und müsse bauen –, während „Der Garten“ sein frühes Interesse an japanischer Gartenkultur und sein dadurch gewecktes ökologisches Bewusstsein beleuchtet. „Die Linie“ widmet sich Hundertwassers Einführung der vegetativen Spirale, die das Naturprozesshafte und Lebendige in seiner Kunst verkörpert, und „Reise – Weg – Prozess“ sowie „Freiheit und Abstraktion“ zeigen auf, wie in Hundertwassers Werk stets Malprozess, Lebensprozess und Reflexions prozess zusammenfielen und die Freiheit im Denken über die formalen Kriterien der Kunst gestellt wurde. cs
Hundertwasser, Japan und die Avantgarde Bis 30. Juni in der Orangerie im Unteren Belvedere, Wien Hg. Agnes Husslein-Arco, Axel Köhne, Harald Krejci Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 36,– → Ausgezeichnet als »eines der besten Bücher Österreichs 2013«