BLAH BLAH BLAH

Mel Bochner im Haus der Kunst

No. 01/2013

Mel Bochner, geboren 1940 in Pittsburgh/PA und seit 1964 in New York ansässig, gilt als Gründer der Konzeptkunst und experimentiert mit Schrift und Sprache, die er zum Gegenstand seiner Werke wählt. Seinen Erfindungsreichtum – Bilder, Skulpturen, Zeichnungen und Installationen – zeigt das Haus der Kunst aktuell in einer Einzelausstellung. Dem Humor Bochners wird auch der Ausstellungskatalog gerecht, der neben Fachbeiträgen ein Werkverzeichnis und Autografisches vom Künstler enthält.

Mel Bochner stiftet Verwirrung. Er legt Steine auf den Boden, bringt sie in mathematische Folgen und beschriftet sie mit Ziffern. Will man das zunächst logisch erscheinende System nachvollziehen, gerät man ins Straucheln. Auch seine Bilder überraschen den Betrachter mit witzigen Einfällen: Wortketten überfluten kleine und große Formate, lösen sich in Buchstaben auf und fließen mitten im Wort in eine neue Zeile. Hat man die Wörter endlich entziffert und sie zu einem Satz zusammengefügt, ergeben sie kaum Sinn. Schon in den 1960ern entdeckte Bochner für sich die Schrift, sortierte sie immer wieder in Kreise, Rechtecke oder Kolonnen und spannte Wortketten wie Brücken. In seinen neuesten Werken, dem Zyklus der Thesaurus-Bilder, erreicht die Farbigkeit einen Höhepunkt. Kunterbunte, freche Wortspiele aus dem Straßenjargon verbinden Sprache mit Malerei und steigern sie zur Performance. Liest der Betrachter die großformatigen Zwölfzeiler, wird er selbst zum Akteur und überschreitet Grenzen ins Provokante. Eines von Bochners Motti, „BLAH BLAH BLAH“, ziert den Umschlag des Ausstellungskatalogs, der mit dem Charakter eines Werkbuches das OEuvre des Künstlers vorstellt. Die Lektüre in den eigenen vier Wänden bietet den Vorteil, dass man ungeniert die Wortbilder laut vorlesen kann, wie der Herausgeber Achim Borchardt-Hume empfiehlt: „MASTER OF THE UNIVERSE, TOP DOG, HEAD HONCHO, KING OF THE HILL …“, lauten Auszüge aus dem Thesaurus. Die einzelnen Abschnitte trennen nur kurze Atempausen. Eine andere Wirkung haben kurz ausgestoßene Begeisterungsrufe im Jugendslang: „… COOL! WOW! GROOVY! CRAZY! KILLER! YESSS!“ Floskeln des Alltags dagegen vermitteln ein Gefühl der Entleerung – der Atem strömt aus: „OH WELL, THAT’S THE WAY IT GOES, IT IS WHAT IT IS, WHAT CAN WE DO? …“ Von solchen Belanglosigkeiten lassen wir uns die Kraft nicht nehmen, atmen wieder ein, blättern das Buch weiter bis zum Schluss, lassen uns inspirieren von den Notizen, den Zeichnungen, den Gedankengängen Bochners, der sich immer wieder neue Strukturen schafft oder Samuel Beckett liest. Dieser kennt sich ja schon aus, wie man Steinchen aus der rechten Manteltasche holt, sie lutscht und in die linke Tasche steckt – bevor die Hosentaschen ins Spiel kommen. af

9783777480114_3Dn
Mel Bochner
Wenn sich die Farbe ändert
Bis 23. Juni 2013 im Haus der Kunst, München 
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 35,-