„Ein magischer Spiegel“

Carpaccio und Bellini – die Meister von Venedig

No. 02/2024

Seine detailverliebten Darstellungen von Venedig und exotischen Szenerien sind Meisterwerke voller Erzählkunst und machten Vittore Carpaccio (um 1460/65–1525/26) zu einem der bedeutendsten Maler der Frührenaissance. Anlässlich seines 500-jährigen Gedenkjahrs werden Carpaccios Werke in einer großen Sonderausstellung zum ersten Mal in Deutschland in den Mittelpunkt gerückt und treten mit berühmten Zeitgenossen in Dialog.

Vittore Carpaccio, Flucht nach Ägypten, ca. 1515, National Gallery of Art, Washington

Mit einem umfangreichen Ursula-Bilderzyklus für die Ausstattung der venezianischen Scuola di Sant’Orsola trat Carpaccio erstmals öffentlich in Erscheinung. Dass man einem jungen, bis dahin noch unbekannten Maler einen solchen Großauftrag zutraute, war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass er mit den Brüdern Giovanni und Gentile Bellini die besten Lehrmeister hatte. In kürzester Zeit wurde Carpaccio zu einem der populärsten Maler der Serenissima. In der Absicht, den Ruhm der Lagunenstadt mit Bilddarstellungen zu untermauern, porträtierte er Venedig in lichterfüllten Ölgemälden mit neuen Impulsen: Farbenprächtig und exotisch bekleidete Figuren, imposante Architektur, detailgetreue Schiffsdarstellungen und humorvoll beobachtete Alltagsszenen versetzen uns in das Venedig der Renaissance als Zentrum des Handels und kulturellen Austauschs. Carpaccios Erzähltalent geht über den sogenannten Augenzeugenstil hinaus und folgt seinem intellektuellen Anspruch, nach eigenen, innovativen Kompositionen zu suchen und fiktive wie ästhetisch ausgereifte Inszenierungen zu schaffen.

In seinen Andachtsbildern, wie Die Flucht nach Ägypten, demonstriert Carpaccio, dass er auch in kleineren Formaten mit wenig Bildpersonal facettenreich erzählen kann. Die legendäre Reise der Heiligen Familie und ihre Vorbildfunktion erhalten besondere Authentizität und Glaubhaftigkeit durch die Verortung in einer Landschaft der Terraferma, des venezianischen Festlands, mit einem verzweigten Kanalsystem in Hintergrund, in dem ein zeittypisches Transportboot zu sehen ist.

Mit Vittore Carpaccio und Giovanni Bellini als Hauptprotagonisten stellt die Ausstellung zwei Künstler der venezianischen Renaissance in den Fokus, deren Werke unsere Vorstellung von der Lagunenstadt geprägt haben. Ihnen zur Seite stehen Bilder weiterer zeitgenössischer Meister wie Gentile Bellini, Cima da Conegliano und Vincenzo Catena. Insgesamt sind rund 50 Gemälde und Arbeiten auf Papier zu sehen, darunter zwei Hauptwerke Carpaccios, die sich im Besitz der Staatsgalerie befinden, ergänzt durch herausragende Leihgaben aus Venedig, Florenz, Madrid und Washington. Die groß angelegte Schau wird von einem bildreichen Prachtkatalog begleitet, der sich vertiefend unter anderem neuesten Forschungsergebnissen über kunsttechnologische Untersuchungen und Restaurierung von Carpaccios Werken widmet. cs

Carpaccio, Bellini und die Frührenaissance in Venedig
15.November 2024 bis 2. März 2025
Staatsgalerie Stuttgart

Katalog zur Ausstellung
288 Seiten, 175 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 49,90