Fresko-Kunsträtsel
Wer bin ich?
Als meine verschollen geglaubte Skulptur bei einer spektakulären archäologischen Grabung wiedergefunden wurde, hatte sie eine beachtliche Karriere hinter sich: Ursprünglich beheimatet in einem angesehenen Museum, wurde die kubistisch anmutende Figur beschlagnahmt und in einer Schmähausstellung als „entartet“ diffamiert. Dann verschwand sie in einem Depot der Kunstbanausen, um wenige Jahre später als Requisite für einen dumpfen Propagandafilm herhalten zu müssen. Der Keller, in den sie anschließend wieder gepackt wurde, glich bald darauf einem zerbombten Trümmerhaufen, der über 65 Jahre mein Kunstwerk unter sich begrub und schlafen ließ – eine Art Dornröschen aus Messing.
Meine Begeisterung für die Bildhauerei begann spätestens, als ich meine Lehrerin, bei der ich neben der Ausbildung an der Kunstschule Privatstunden nahm, auf eine mehrmonatige Italienreise begleitete und in Rom archaische Plastiken studieren konnte. Im selben Jahr lernte ich meinen Mann kennen, auch er ein Künstler. Unsere neue Heimat wurde Paris, dort knüpfte ich wertvolle Kontakte, unter anderem zu Henri Matisse. Der künstlerische Austausch mit ihm war eine prägende Erfahrung, wie einige meiner frühen Bronzeplastiken zeigen. Nachdem mein Mann in Deutschland eine Professur an der Kunstakademie übernommen hatte, verließen wir die Kunstmetropole, die für mich jedoch zeit meines Lebens ein Inspirationsort blieb, an den ich regelmäßig zurückkehrte. Meine Formensprache wurde zusehends abstrakter, ich feierte Ausstellungserfolge und galt bald als eine der innovativsten deutschen Bildhauerinnen meiner Zeit. Irgendwann wurde das politische Klima „ungemütlich“, wie ich in mein Notizheft notierte. Da mein Mann mittlerweile von seinem Posten entlassen worden war, überlegten wir Deutschland zu verlassen, entschieden uns aber, in Berlin zu bleiben. Ein beachtlicher Teil unserer Kunst sowie gesammelter Werke anderer Künstler gingen bei einem Bombenangriff in Flammen auf, von unserem Haus in Berlin blieb so gut wie nichts übrig. Nachdem mein Mann wenige Jahre später gestorben war, begann ich, mittlerweile über 60 Jahre alt, eine zweite Karriere als Malerin. Um mit ihm zu Lebzeiten nicht in Konkurrenz zu treten, hatte ich das Malen aufgegeben – wer bin ich?
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