Die goldene Flotte

Schiffspokale und Seefahrt um 1600

No. 01/2024

Sie dienten der Repräsentation des Herrscherhauses, bestimmten das Tischgespräch an der höfischen Tafel oder animierten die launige Gesellschaft zu vergnüglichen Trinkspielen: Um 1600 vervollständigten vor allem auch in Süddeutschland kleine Schiffsmodelle als Tafelschmuck das herrschaftliche Prunkgeschirr und zeugten von der virtuosen Goldschmiedekunst ihrer Meister, wie das Bayerische Nationalmuseum vor Augen führen wird.

Hans Anton Lind, Tafelschiff mit Nautilusgehäuse auf Rädern, 1603/09, Nürnberg, Dresden, Grünes Gewölbe

Je ausgefeilter und exotischer die Stücke, desto mehr Ansehen erwarb sich ein Herrscher bei den geladenen Gästen – das verspricht ein Blick in die Kunst- und Wunderkammern etwa der bayerischen Herzöge, die ab der Frühen Neuzeit erstaunliche Preziosen zusammentrugen und Kunstwerke in Auftrag gaben. Mit dem Selbstverständnis eines Renaissancefürsten führten sie durch die hauseigene Schausammlung oder luden zum herrschaftlichen Bankett. Neben Blumenbouquets schmückten eine Reihe von Tafelaufsätzen die üppig ausladenden Tische, mit der Funktion, auch hier das Prestige des Gastgebers zu mehren.

Auf der Beliebtheitsskala weit oben rangierten um 1600 schiffsförmige Trinkgefäße, die trotz der Distanz zum Meer besonders auch im süddeutschen Raum en vogue waren. Der Handel führte die Kaufleute schließlich nicht nur über Land, sondern machte sie ebenso mit Seewegen vertraut, was ein kostspieliges Unterfangen war, dafür aber einen hohen Status einbrachte, den nun auch die Tafelaufsätze in Form von Schiffspokalen auf den Tisch transportierten. Aufwendig gestaltete Trinkschiffe beeindruckten ob ihrer Detailgenauigkeit und präsentierten mitunter ganze Szenerien vom Schiffbau bis zur Seefahrt: Dreimaster mit windgeblähten Segeln und wehenden Flaggen, Matrosen beim Segel setzen oder sich seilaufwärts zum Ausguck hangelnd, als feinste Goldschmiedearbeit, mit Nautilus oder auf Rollen, damit sie kreuz und quer über den Tisch fahren konnten und mit eingebautem Strohhalm zum Trunk einluden.

Im Rahmen seiner Sonderausstellung präsentiert das Bayerische Nationalmuseum eine goldene Flotte und rollt in diesem Zuge anhand von kunsthandwerklichen Arbeiten, Gemälden, Grafiken, kostbaren Manuskripten, Karten und Navigationsgeräten auch den kunst- und kulturhistorischen Kontext der verschiedenen Arbeiten auf, die als Traumschiffe in die Geschichte eingingen und dabei von den um 1600 verbreitetsten Schiffstypen und begehrtesten Handelsgütern, Status und Machtanspruch hierzulande, auf den Weltmeeren und in den fremden Kontinenten erzählen. af

Traumschiffe der Renaissance
25. April bis 1. September 2024
Bayerisches Nationalmuseum, München

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 39,90