Das verräterische Idyll

Carl Spitzweg zwischen Kolorismus und Kritik

No. 01/2020

Beschaulich geht es zu in den Bildern Carl Spitzwegs, harmlos aber sind sie nicht: Mit einer bis 2. August laufenden Ausstellung von etwa 100 Exponaten hat sich das Kunst Museum Winterthur darangemacht, den Münchner Maler (1808–1885) aus dem vordergründigen Verständnis eines freundlichen Chronisten des biedermeierlichen Idylls herauszuholen.

Carl Spitzweg, Der Maler im Garten, um 1860, Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart

Wie subversiv sich Spitzweg im Anekdotischen des warm besonnten Kleinstadtalltags über das nicht ganz unfreiwillige Spießertum in politisch restriktiven Zeiten lustig macht und wie lächerlich dem Sehenden die romantische Verklärung der Natur angesichts der Wirklichkeit draußen an der frischen Luft erscheinen muss, wird bei einem Rundgang ebenso klar wie bei einem Blick in den Begleitkatalog. Das versiert aufgemachte Buch vermag mit zum Teil noch nie öffentlich gezeigten Landschafts- und Genrebildern, den vielen Hauptwerken aus den großen Spitzweg-Sammlungen und den konzisen Textbeiträgen die Facetten und Brüche, das Hochsympathische und das Bissige, das Heitere und das Melancholische in der geistigen Beweglichkeit des Künstlers anschaulich zu machen. Und bei aller humorvoll-kritischen Weltbetrachtung ist nicht zu übersehen, was für ein grandioser Kolorist und innovativer, sein Metier stets mitbedenkender Künstler darin am Werk ist. mk

Cover für Carl SpitzwegCarl Spitzweg
Bis 2. August 2020
Kunst Museum Winterthur
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. Kontrad Bitterli
Hirmer Verlag € 34,90