Blick hinter den Spiegel

Das Weltentheater von Erwin Pfrang

No. 01/2019

„Die Betrachtung der Menschen, mit denen ich mein Leben teile“, steht im Mittelpunkt von Erwin Pfrangs Kunstschaffen. Vom 16. März bis zum 23. Juni zeigt die Ausstellung Erwin Pfrang. Gedacht durch meine Augen im Buchheim Museum in Bernried ein Weltentheater, in dem sich der Künstler als gnadenlos ehrlicher Berichterstatter entpuppt, der mit seinem Pinsel, dem „Blindenstock des Malers in der zitternden Hand“, humorvoll Widersprüchlichkeiten ans Licht befördert.

Erwin Pfrang, Requiem für V., 2018, © Erwin Pfrang

Pfrang widersetzt sich der Macht des Normativen, er sucht im Absurden Zuflucht. In seinem Bild Gehversuche ist es der Junge, der am Stock geht, und die Oma, die Fußball spielt; in Feierabend sitzt der blaubehoste Sonnenanbeter statt auf der Picknickdecke auf dem Müllteppich der Berliner Spaßgesellschaft; und bei Luna Park scheinen die Geisteskranken in der Bildmitte die einzigen Normalen in dem wahnsinnigen Treiben der Welt zu sein. Widersprüchlichkeit, Vieldeutigkeit, Offenheit sind die Leitideen des Malers aus München, der in Catania und Bukarest gelebt hat und heute in Berlin seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse zu Bildern komponiert: städtische Brachflächen, Straßenzüge, Interieurs oder Farbräume, bevölkert von Gestalten aller Art, Kuscheltiere, Barbiepuppen, Comicfiguren, Hunde, vor allem aber Menschen: „,Was Pfrang‘, also mich, ,zu diesen Menschen treibt (trieb, getrieben hat), ist eine Art archäologischer Instinkt – physiognomischer Archäologie wohlgemerkt‘“, zitiert er sich selbst in seinem Beitrag für den bibliophil gestalteten Band zur Ausstellung.

Seine Motive speisen sich aus der alltäglichen Anschauung, dem unmittelbaren Erleben, dem Blick aus dem Fenster, hinter den Spiegel, in die Zeitung oder ins Buch, wie sich am Ausstellungstitel zeigt. Denn „Gedacht durch meine Augen“ ist ein Zitat des verehrten James Joyce, dessen literarische Figuren aus Ulysses und Dubliner Pfrangs Bildern Pate stehen. Wie auch der Zeitungsausschnitt mit dem Nachruf auf den Pianisten und Entertainer Paul Kuhn, der in Requiem für V. metaphorisch die erste Geige spielt: Vermischt mit den Zügen seines Vaters und umgeben von einem Orchester der Junior-Preisträger der Menuhin Competition, die Erwin Pfrang im Fernsehen aufgeschnappt hatte, steht er als „Pseudonym für alles, was sich redlich verbraucht hat und von der Lebensbühne nicht ohne Augenzwinkern abtritt“. af

Cover für Erwin PfrangErwin Pfrang
"Gedacht durch meine Augen"
Bis 30. Juni
Buchheim Museum Bernried
Katalog zur Ausstellung

Hirmer Verlag € 29,90