Beglücktes Staunen über Kunst

"Man kann sie nur erfahren - oder auch nicht"

No. 03/2017

Wolfgang Felten, Initiator, Herausgeber und Autor des Bandes Begegnungen mit Kunst, hat zusammen mit einem kongenialen Partner, dem Fotografen Hubertus Hamm, ein Werk geschaffen, von dem er sagt, es sei „kein Katalog, keine Kunstgeschichte, keine Sammlungspräsentation“. Für uns ist es eine einmalig sinnliche Annäherung an das wundersame Rätsel um die Faszination von Kunstwerken.

Kosmischer Tänzer, Hevajra, Kambodscha, Baphuon-Stil, Mitte 11. Jh., Foto © Hubertus Hamm

Es gibt verschiedene Arten, Kunstwerke zu betrachten, wir kennen das von unseren Besuchen im Museum: Die einen lesen, noch bevor sie die Exponate ansehen, alle Erläuterungen, bis hin zum Kleingedruck-ten, als ginge es darum auszuschließen, etwas falsch zu verstehen. Andere lassen die Werke zu ihnen sprechen, wollen unvoreingenommen den ersten Kontakt genießen. Und es gibt Wolfgang Felten, der uns auf eine ganz besondere Art die Augen öffnet, Kunst wahrzunehmen und sich auf sie einzulassen.

Mit seinem beeindruckenden Fotoband lädt er uns ein, an seinem beglückten Staunen teilzuhaben, „darüber, dass aus toter Materie etwas entsteht, das lebt, anregt und bewegt“, wie er in seinem Vorwort schreibt. In diesem Buch stellt er Kunstwerke vor, die er emotional und unabhängig von deren Bedeutung ausgewählt hat. Darunter sind vor allem Buddha-Figuren, Köpfe weiblicher  Gottheiten oder Masken aus Kambodscha, Burma, Thailand und von der Elfenbeinküste. Aber auch zeitgenössische Fotografien, Aquarelle oder Zeichnungen wie etwa von Alberto Giacometti, reihen sich ein. Felten verzichtet auf kunsthistorische Erklärungen, sondern stellt den Arbeiten, die teils in großformatigen Nahaufnahmen und aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt werden, Zeilen voran, die als Anregung für eigene Gedanken zu verstehen sind: „Die vielen Arme ein Fächer. Seine selbstverständliche Natürlichkeit lässt die menschliche Form fast ärmlich erscheinen. Ein Tanz um die eigene Mitte, gelöste Grazie in Versenkung“, eröffnet die Bildstrecke zu dem bronzenen Kosmischen Tänzer. Genau hinsehen, sich Zeit nehmen, dem jeweiligen Kunststück gerecht werden – dies vermitteln seine Begleittexte wie auch die großartigen Fotografien von Hubertus Hamm.

Dieser Band hebt sich nicht nur durch seinen inhaltlichen Ansatz gänzlich von anderen Kunstkatalogen ab, sondern ist auch in seiner kostbaren und aufwändigen Ausstattung viel mehr als ein Buch geworden. Seine ganze Faszination zu erklären fällt schwer, oder um es mit dem Zitat von George Steiner zu sagen: „Als Schumann einmal gebeten wurde, eine Etüde zu erläutern, setzte er sich hin und spielte sie ein zweites Mal.“ Man sollte sich also hinsetzen und das Kunstbuch erneut durchblättern, ganz in Ruhe. um

 Begegnungen mit Kunst
Begegnungen mit Kunst
Hrsg. von Wolfgang Felten
Fotografien von Hubertus Hamm
Hirmer Verlag € 75,–