Alle 100 Sekunden

No. 03/2019

Der 1936 in Jerusalem geborene Abraham B. Yehoshua hat für seine Werke zahlreiche Ehrungen und Preise erhalten, darunter den Internationalen Antonio-Feltrinelli-Preis. In Der Tunnel spielt nun ein Demenzkranker die Hauptrolle.

Mit 72 Jahren erkrankt der ehemals hoch geachtete, aber nun pensionierte Straßenbau-Ingenieur Zvi Luria an Demenz. Seine Familie in Tel Aviv steht ihm fürsorglich zur Seite, und der junge Ingenieur Miamoni bietet ihm sogar die Möglichkeit, seinen Verstand in Schwung zu halten: Luria kann ihm als unbezahlter Assistent bei einem geheimen militärischen Straßenbauprojekt an einem Krater helfen. Die beiden arbeiten gut zusammen, und Lurias „Ausfälle“ halten sich in Grenzen. Da lernt er während einer Inspektionsfahrt eine schöne staatenlose Palästinenserin und deren Familie kennen. Sie benötigen seine Hilfe. Ob er wohl mit der Planung eines Tunnels alle Probleme aus dem Weg räumen kann?

Der innere Monolog des Protagonisten, der mit Gedanken, Unterhaltungen und kleinen Aktionen geschmeidig und stilsicher gesetzt ist, beschäftigt sich mit einem T‌hema, das uns alle betrifft. Wie reagieren wir, wenn Demenz diagnostiziert wird? Etwa so wie Dina, Lurias Ehefrau? „Sag nicht andauernd Demenz. Der Arzt hat dich doch eindringlich davor gewarnt, das zu sagen.“ „Und wie soll ich dann sagen?“ „Sag Umnebelung, Abgespanntheit, Verwirrtheit … wir finden noch bessere Begriffe.“ – Es sind Fragen, die auf den Nägeln brennen. In Deutschland erkrankt immerhin alle 100 Sekunden ein Mensch an Demenz. Ein hoch brisantes T‌hema! Manchmal würde man diesem einen kräftigeren Plot und stärker gezeichnete Figuren wünschen. kh

Yehoshua_der Tunnel.jpgDer Tunnel
Von Abraham B. Yehoshua
Nagel & Kimche € 24,–