Visionär, Vergessen

Künstlerinnen der Avantgarde

No. 04/2015

Sigrid Hjertén, Frau mit Pelz und rotem Hut, 1915, Privatsammlung © per@myrehed.com

Sigrid Hjertén, Frau mit Pelz und rotem Hut, 1915, Privatsammlung © per@myrehed.com

Dass die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht fertig geschrieben ist, zeigt die aktuelle Ausstellung Sturm-Frauen in der Schirn Kunsthalle Frankfurt auf eindrucksvolle Weise. Denn dort versammeln sich avantgardistische Werke von 18 talentierten Künstlerinnen, die bisher zu wenig oder noch gar nicht gewürdigt wurden.

Künstlerinnen hatten es Anfang des 20. Jahrhunderts ungleich schwerer als ihre männlichen Kollegen. Nicht nur, dass Frauen an den staatlichen Akademien des Deutschen Kaiserreichs bis 1918 vom Kunststudium ausgeschlossen waren und allenfalls private Malschulen oder Kunstgewerbeschule besuchen konnten, ihnen wurde auch die schöpferische Kraft und Originalität abgesprochen. „So malt nur ein Kerl“, beurteilte der Künstler Alexander Archipenko die Gemälde seiner Lebensgefährtin Marthe Donas und empfahl sie dem Sturm-Galeristen Herwarth Walden vorsichtshalber unter dem männlichen Pseudonym „Tours Donas“. Walden, Gründer der legendären Zeitschrift Der Sturm, machte allerdings bei der Förderung seiner Künstler keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Kunst war gut oder schlecht, nicht weiblich oder männlich. Mit dieser Haltung war er unter seinen Kollegen wie Alfred Flechtheim, Wolfgang Gurlitt oder Paul Cassirer eine Ausnahmeerscheinung, die Künstlerinnen kaum oder gar nicht förderten.Dies ist auch der Grund, weshalb Ingrid Pfeiffer, die Kuratorin der Ausstellung Sturm-Frauen, 18 internationale Avantgarde-Künstlerinnen aus dem Umfeld von Walden zeigt. Bekannte Namen wie Marianne von Werefkin, Else Lasker-Schüler, Gabriele Münter, Natalja Gontscharowa oder Sonia Delaunay sind in der Ausstellung eher die Ausnahme, den größeren Anteil haben die (fast) vergessenen Künstlerinnen wie Maria Uhden, Vjera Biller, Marcelle Cahn, Emmy Klinker oder Alexandra Exter. Mit rund 280 Kunstwerken, darunter Gemälde, Holzschnitte, Masken und Fotografien, zeigen die 18 Sturm-Frauen in jeweils eigenen Räumen, dass sie mit ihrer formlosen Kunst und den radikalen Visionen entscheidend zur Entwicklung der Moderne beigetragen haben. um

Sturm-Frauen Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932
Bis 7. Februar 2016
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Katalog zur Ausstellung Wienand Verlag € 45,–