Berlinde de Bruyckere
Dramatisches Menschenbild
No. 02/2014
Gestapelte Wolldecken, die einen Körper umhüllen und vordergründig Wärme spenden, verschlungene Gestalten und losgelöste Gliedmaßen – in ihrem emotionalen Werk widmet sich die flämische Künstlerin Berlinde De Bruyckere Themen um die menschliche Existenz und geht dabei buchstäblich unter die Haut.
Das nun zwanzigjährige Schaffen von Berlinde De Bruyckere (geb. 1964 in Gent) deckt Schicht um Schicht das Innenleben eines Menschen auf: Die Künstlerin rüttelt an den menschlichen Grundfesten und konfrontiert uns schonungslos mit Gewalt, Leid, Verstümmelung und Gebrochenheit, die in der gegenwärtigen Welt präsent sind. Lebensgroße Menschenkörper, die entleert in einer Hülle aus durchscheinendem Wachs und Farbpigmenten dem Betrachter gegenübertreten, abgeformte Tierkadaver, die Leben auf Materie reduzieren, und die Wiedergabe aus dem Kontext gelöster Empfindungen an der Schwelle des Erträglichen konfrontieren uns mit einem erschütterten Weltbild. Inspiriert sind De Bruyckeres Skulpturen, Installationen und Zeichnungen u. a. von Werken Alter Meister wie Lucas Cranach, Pier Paolo Pasolini und Antonello da Messina, die es meisterhaft verstanden, in ihren oft religiösen Bildern Seelenzustände zu spiegeln. Titel wie Schmerzensmann oder Pietà, die Berlinde De Bruyckere ins Heute transferiert, formulieren unmissverständlich ihre Absicht: das Wecken von Empathie. af
Berlinde De Bruyckere Hrsg. von Angela Mengoni Hirmer Verlag € 69,–