Kommunikation ist alles

Des Rätsels Lösung und andere Geschichten

No. 01/2017

Die Beamten staunten nicht schlecht, als ihnen im Jahr 1889 bei dem Umzug eines Frankfurter Amtsgerichts 272 verschlossene und offensichtlich nicht zugestellte Briefsendungen in die Hände fielen. Die Schriftstücke, überwiegend Geschäftsbriefe aus oberitalienischen Handelsstädten, waren um das Jahr 1585 abgefasst worden – also über 300 Jahre alt, als sie auftauchten.

Wie sich später rekonstruieren ließ, war das Briefkonvolut unterwegs von Mailand nach Köln zwischen den Pferdewechselstationen Rheinhausen und Wöllstein abgefangen worden. War das Postpaket ein zufälliges Opfer einer Diebesbande, die es eigentlich auf Geldtransporte abgesehen hatte? Oder geriet es zwischen die Fronten von mitunter rabiat agierenden Kurierdiensten und dem für die Postbeförderung im Reich zuständigen Haus Taxis? Man weiß es nicht, sicher ist jedoch, dass der Fund wenig später dem Berliner Reichspostmuseum ausgehändigt wurde.

„Sinken, brauchen sofortige Hilfe“

Chiffriermaschine Enigma M4 mit vier Walzen in Marineausführung, 1944 Foto: Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Chiffriermaschine Enigma M4 mit vier Walzen in Marineausführung, 1944 Foto: Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Das Museum wurde 1872 von dem Generalpostmeister Heinrich von Stephan gegründet, mit dem Auftrag, das Nachrichtenwesen der Menschheit zumindest ausschnitthaft zu dokumentieren. Heute ist das Postmuseum Bestandteil der umfänglichen „Sammlungen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation“, die an insgesamt drei Standorten – Berlin, Heusenstamm und Bonn – eine Anzahl von über zwei Millionen Objekten versammelt.

Telefon von Philipp Reis, Empfänger und Geber mit Sprechrohr, 1863, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Telefon von Philipp Reis, Empfänger und Geber mit Sprechrohr, 1863, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Aus dieser enormen Fülle ist eine exquisite Auswahl von 101 Objekten getroffen worden, die mit ihren kurzweilig wie geistreich erzählten Geschichten in dem Band Das Radio in der Nussschale zusammengestellt wurde. Das bibliophil gestaltete, hervorragend bebilderte Lesebuch ist im Hirmer Verlag für € 26,– erschienen (herausgegeben von Veit Didczuneit) und lässt 4000 Jahre Kommunikationsgeschichte nacherleben. Als ältestes Objekt der Sammlung steht eine Keilschrifttafel von 2052 v. Chr. am Anfang des Bandes, den Ausblick auf die Zukunft gibt die Datenbrille Vuzix M100 aus dem Jahr 2015. Dazwischen werden Highlights wie das erste Telefon von Philipp Reis, ein Notruf-Telegramm der Titanic oder die Chiffriermaschine Enigma vorgestellt, Kostbarkeiten wie die Blaue Mauritius und Dalís Hummertelefon, Kuriositäten wie das titelgebende Radio in der Nussschale oder Alltagsgegenstände wie ein früher Walkman und ein Commodore 64. Die hier gezeigte Auswahl repräsentiert alle Sammlungsbereiche der Museumsstiftung: Archivalien, Bibliotheksschätze, Briefmarken, Fotografien, Kunstwerke und technische Objekte. Beim Schmökern in dem 300-seitigen, jedoch handlichen Band kommt man sich ein bisschen wie in dem Film Nachts im Museum vor – alles wird lebendig und hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung. um

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DAS RADIO IN DER NUSSSCHALE UND ANDERE OBJEKTGESCHICHTEN.
Aus den Sammlungen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Hg. Veit Didczuneit
Hirmer Verlag € 26,-