Zeitzeugen
Sehnsucht Hoffnung
No. 04/2023
Eine der wichtigsten Eigenschaften, die uns als Menschen auszeichnet, ist die Empathie: das Einfühlen in das Empfinden, die Gedanken und die Motivation des Gegenübers. Selten ist dies so erfahrbar gemacht worden, wie in der Ausstellung Schön und verletzlich in der Pinakothek der Moderne in München.
Gezeigt wurde die Sammlung von Hartwig Garnerus, die sich explizit auf Darstellungen von Menschen konzentriert und dies vornehmlich im Zeitraum zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit. Es handelt sich somit um Werke, die zwischen den beiden Weltkriegen entstanden. Künstler wie Karl Hofer, Hermann Blumenthal, Otto Freundlich, Lovis Corinth, Helmut Kolle, Carl Lohse, Marg Moll, Walther Ophey, Emy Roeder oder Joseph Scharl hielten in ihren Werken Außenseiter, Randfiguren und Verlierer, aber auch Sportler, Idole, Träumer und Verliebte fest – allesamt Individuen. In den gemalten und geformten Gesichtern spiegeln sich Verlust, Verletzbarkeit und Melancholie bis hin zu Selbstbehauptung, Lebenslust und Stolz wider. Die Figuren sind somit Zeitzeugen einer aus den Fugen geratenen Welt, zugleich aber auch Spiegelbilder zur Reflexion der Gegenwart. Am Ende ist es nichts Geringeres als die Humanität und das Verbundensein mit anderen Menschen, das wir durch die Werke und die kuratierende Hand des Sammlers erfahren. Sichtbar wird, dass jedes Individuum zur Formung der Gesellschaft wichtig ist, die Gesellschaft an sich aber zugleich instabil und ebenfalls schützenswert. Im Nachgang der Ausstellung erlaubt die Begleitpublikation eine Betrachtung der Menschenbilder und -skulpturen in aller Ruhe und Ungestörtheit. ra
Schön und verletzlich. Menschenbilder der Sammlung Garnerus Hrsg. von Oliver Kase Gebunden, 196 Seiten Hirmer Verlag € 39,90