Why? Why not?

Kunst entsteht nie aus sich selbst heraus

No. 04/2020

Im schwarzen Sack auf weißem Stuhl, kopfüber im Eimer oder dem eigenen Hund Chopin vorspielend – die Arbeiten der finnischen Foto- und Videokünstlerin Elina Brotherus laden in intellektueller Schärfe und humorvollem Leichtsinn zum Schmunzeln ein.

Elina Brotherus, Sebald’s Hotel 4, 2019, aus der Serie Sebaldiana. Memento mori
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020

 

„Why?“ – „Why not?“ Diese Aussprüche ursprünglich des Malers Arthur Køpcke hat sich die 1972 in Helsinki geborene Elina Brotherus in ihren jüngeren Werkserien zu eigen gemacht. Seit 2016 bedient sich Brotherus Kunstkonzepten der Gegenwart, neben Conceptual Art allen voran der Fluxus-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre. George Brechts „Event Scores“ und John Baldessaris „Kunstideen“ übersetzt sie in Fotoarbeiten von eigener unverkennbarer Ästhetik und erobert sich im wahrsten Sinne spielerisch neue Räume.

Elina Brotherus liebt Selbstporträts. Was zu Beginn ihres künstlerischen Schaffens sonderbar wirkte, ist heute im gelebten Selfie-Hype weniger aufsehenerregend. Es sind vielmehr die ungewöhnlichen Haltungen in eigenwilligen Situationen, die den Betrachter „catchen“, ihr nüchterner Ausdruck, wenn sie unter einem Stapel von Stuhlauflagen liegend in die Kamera blickt oder auf der Bühne vor nicht vorhandenem Publikum sich die erkrankte Schauspielkollegin durch einen behangenen Kleiderbügel imaginativ an die Seite stellt.

Man begegnet der Bilderfinderin aber nicht nur allein aus dem Fenster blickend oder inmitten einsamer Landschaften. Es sind ebenso Paarkonstellationen mit Künstlerkollegen und Freunden, die einen wichtigen Teil ihres Werkes markieren, darunter ihre One Minute Sculpture mit Erwin Wurm von 2018 oder ein Bild voller Ungehorsam mit Valie Export (Disobedience, 2018).

„Art is never made in a void“ – Kunst entsteht nie aus sich selbst heraus, sondern in einem Geflecht verschiedener Bezugsfelder. Diesem Gedanken folgend, greift Brotherus historische Bildkonzepte und Ideen anderer Künstler auf und stellt sie in verwandelter Form zur Disposition. Voller Neugier und Begeisterung verfolgt man ihre Lust am Experiment und ihre Offenheit für das Spiel, die sie mit technischer Präzision und humorvollem Intellekt sehenswert zu verbinden weiß. cg

Cover für Elina BrotherusElina Brotherus. Why not?
Bis 21. Februar 2021
Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen
Katalog zur Ausstellung
Text: Deutsch/Englisch
Premiumausgabe:
Einband mit aufgesetztem Bild, Lesebändchen 
Hirmer Verlag € 29,90