Waghalsig?

"Korrekt", ruft Immendorf

No. 03/2015

Tilman Spenglers „fiktionale Biografie“ über seinen Freund, den Maler Jörg Immendorff, ist ein Funkelstein inmitten der literarischen Neuerscheinungen. Mit seiner virtuosen Fabulierfreude entwirft der Autor ein vielfarbiges Bild des Künstlers und seiner Zeit, das wie ein Feuerwerk aus dem kleinen, hübschen Band zu springen scheint.

Tilman Spengler, Foto: Katharina Alt

Tilman Spengler, Foto: Katharina Alt

Gleich zu Beginn des Romans lässt Spengler Jörg Immendorff die eigene Totenfeier miterleben. Aus seinem Selbstbildnis blickt er auf die Trauergemeinde herab und „verfolgt das Geschehen mit gespannter Aufmerksamkeit. Denn der Tod ist immer auch Abrechnung“. Abrechnung? Man ahnt es: Die Spengler’sche Abrechnung wird furioser, als man sie sich vorstellen kann. Er lässt den Maler zum Malerteufel werden, der aus luftiger Höhe spottet, zornig poltert, schnodderig kommentiert und schließlich hinter vorgehaltener Hand einer blonden Schönheit die Adresse seines Leichenschmauses zuraunt. In den darauffolgenden 14 „Tableaus“ streift der Maler, Provokateur, Professor und Kanzlerporträtist Immendorff mal leise und nachdenklich, mal boshaft und ironisch, in jedem Fall jedoch ungemein inspirierend durch die neuere deutsche Geschichte, die mit nicht immer verbürgten biografischen Stationen seines Lebens verwoben ist.

Das Buch ist in dem eleganten, melancholischen und hintergründig-humorvollen Sprachstil geschrieben, den man von Tilman Spengler kennt. Dies ist im besten Sinne des Wortes Wortkunst. Und wie Kunst zu verstehen ist, weiß Immendorff sehr genau: „Denn nur, wenn man beim Betrachten oder Hören oder meinetwegen auch beim Lesen eines Werkes der Kunst nicht an Kunst denken muss, und zwar keine einzige, nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde lang, erst dann begreift man Kunst.“

Nach der Lektüre dieses Bandes bleibt der zu diesem Zeitpunkt etwas unmäßig erscheinende Wunsch, bald einen neuen Roman aus Spenglers Feder lesen zu dürfen. cs

 

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Waghalsiger Versuch, in der Luft zu kleben 
Von Tilman Spengler 
Berlin Verlag € 18,–