Unliebsam
Kathedralen für den Müll
No. 02/2016
Winfried Baumann widmet sein künstlerisches Schaffen einem Thema, das von unserer Gesellschaft gern verdrängt wird: Müll als zerstörerische Konsequenz unseres Konsumverhaltens. Während das Prinzip Nachhaltigkeit erst in den letzten Jahren das Bewusstsein einer breiten Allgemeinheit erreicht hat, befasst sich Winfried Baumann seit nunmehr 30 Jahren mit dem unliebsamen, hoch brisanten Sujet, das wir uns nicht gern vor Augen führen lassen.
Seit Mitte der 1980er Jahre dienen dem Nürnberger Künstler Schlacke aus der Müllverbrennung, Altöl und andere Abfallprodukte als Werkstoff. Er widmet das wertlose Material um und erschafft aus ihm Schreine, Skulpturen und Installationen, die er vorzugsweise in sakralen Räumen präsentiert. In schonungsloser Konsequenz konzipiert er außerdem fiktive Mülldeponien nach den Proportionsschemata ikonisch-sakraler Bauwerke.
Die Pyramiden von Gizeh dienen als architektonisches Vorbild für Deponien radioaktiver Abfälle, Rohstoffrückgewinnungsanlagen gleichen gotischen Kathedralen und werden zu Mausoleen des Unrats in den großen Ballungszentren der Erde wie Delhi, Mexico City oder São Paulo.
Mausoleen des Unrats
Müll und Gift avancieren damit zur Schicksalsmacht, die wir besser anerkennen und der wir unsere Aufmerksamkeit widmen, indem wir sie ins Zentrum rücken oder auf den Sockel stellen. Die präzise Dokumentation all dieser Projekte in Plänen und Modellen lässt sich nun erstmals anhand des reich bebilderten Katalogs mit einem Vorwort von Bazon Brock nachvollziehen. ck
Kathedralen für den Müll Hrsg. vom Institut für moderne Kunst Nürnberg Beiträge von Bazon Brock, Harriet Zilch Text: Deutsch/Englisch Hirmer Verlag € 34,90