Thomas Bernhard

"Ich habe auch immer zwei Existenzen geführt"

No. 04/2015

Thomas Bernhard, Foto: Erika Schmied

Thomas Bernhard, Foto: Erika Schmied

Thomas Bernhard ist immer aktuell, gerade hat sich Rainald Götz in seiner Dankrede zum Büchnerpreis 2015 – rund 25 Jahre nach dessen Tod – leidenschaftlich zu dem bedeutenden wie umstrittenen österreichischen Literaten bekannt: „Thomas Bernhard hat diese Urwahrheit in seiner Büchner-Rede benannt, hat zwanzigmal Tod, Verrücktheit und infame Lüge gesagt, fertig war die kürzeste und denkbar schönste Rede hier. Das war 1970. Darüber macht man sich heute eher lustig. Ich finde das falsch. Jugend hat die Gesellschaft erobert, verwandelt, verbessert und ist selbst dabei kaputt gegangen, immer wieder.“ Die jüngst erschienene 456 Seiten starke Biografie über Thomas Bernhard ist eine große Erzählung über Leben und Werk des Schriftstellers, ein Band, den es zu besitzen lohnt, wonach gegriffen wird, wann immer man sich zu Thomas Bernhard verbindlich informieren möchte. Vor allem ist es ein Buch, das Sensation und Voyeurismus ausblendet. Der Autor und Forscher Manfred Mittermayer hat wie kaum jemand vor ihm eine sehr wertfreie Darstellung gefunden, die dem Leser Freiraum lässt, sich selbst ein Bild zu machen von einer vielschichtigen Persönlichkeit, die sich im Roman Der Keller beschrieb: „Ich darf nicht leugnen, daß ich auch immer zwei Existenzen geführt habe, eine, die der Wahrheit am nächsten kommt und die als Wirklichkeit zu bezeichnen ich tatsächlich ein Recht habe, und eine gespielte, beide zusammen haben mit der Zeit eine mich am Leben haltende Existenz ergeben.“ zh

Thomas Bernhard. Eine Biografie
Von Manfred Mittermayer 
Residenz Verlag € 28,–