Schönheit & Revolution

Das freche Feuer des Klassizismus

No. 01/2013

Detail der Statue eines Faustkämpfers, aus Rom, 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. oder 3. Jh. v. Chr. Foto: akg-images/Jürgen Raible

Detail der Statue eines Faustkämpfers, aus Rom, 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. oder 3. Jh. v. Chr. Foto: akg-images/Jürgen Raible

Leidenschaftlich, widersprüchlich, abwechslungsreich, revolutionär – dies sind Eigenschaften, die man nicht spontan der Stilrichtung des Klassizismus zuordnet, vielmehr hat man Werke vor Augen, die sich streng und rational an der Antike orientieren. In der Ausstellung Schönheit & Revolution. Klassizismus 1770 –1820 im Frankfurter Städel Museum entdeckt der Besucher in den Gemälden und Skulpturen der großen Meister das „freche Feuer” des Klassizismus und dessen Impulse für die Romantik.

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ZURÜCK ZUR KLASSIK. Ein neuer Blick auf das alte Griechenland Hg. Vinzenz Brinkmann Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag

„Auf dem Olymp war große Götterversammlung. Hebe wanderte an den Tischen umher und schenkte Nektar ein“, beginnt Gustav Schwab das dritte Buch seiner Schönsten Sagen des klassischen Altertums. Mit jener Göttin Hebe, die nicht nur als Mundschenk für ihren Vater Zeus und dessen Frau Hera bei Götterversammlungen fungierte, sondern auch ewige Jugend verleihen konnte, beginnt auch die Ausstellung Schönheit & Revolution in Frankfurt. Zwei marmorne Darstellungen der Göttin – die eine 1796 von Antonio Canova geschaffen, die andere 1806 von Bertel Thorvaldsen – begegnen sich hier zum ersten Mal in einem Raum, obwohl sie schon seit knapp 200 Jahren immer wieder miteinander verglichen wurden. Als Stellvertreterinnen für die Vielseitigkeit und Modernität des Klassizismus „eröffnen sie den Spannungsbogen, den die Ausstellung beinhaltet: vom Klassizismus bis zum romantischen Klassizismus“, erklärt Maraike Bückling, Gastkuratorin von der Liebieghaus Skulpturensammlung. Rund 100 Werke aus der Zeit von 1770 bis 1820, darunter Arbeiten von Anton Raphael Mengs, Thomas Banks, Antonio Canova, Jacques- Louis David, Bertel Thorvaldsen, Johann Gottfried Schadow und Jean-Auguste-Dominique Ingres versammelt die Sonderschau, die in Zusammenarbeit mit der Liebieghaus Skulpturensammlung entstanden ist. Auf der Suche nach einem Vorbild für sittlich gutes Handeln entdeckten die europäischen Künstler um 1800 im antiken Mythos das Menschliche. Das Hinterfragen der Normen und Machtsysteme und die Rückbesinnung auf die Antike als Erfinderin der Demokratie und Freiheit wurden als revolutionär angesehen. Rom als Mittelpunkt des Kunstgeschehens – und damit auch zentraler Ort für die Auswahl der Leihgaben für die Ausstellung – war in dieser Zeit der wichtigste Anziehungspunkt für die Künstler, Literaten und Theoretiker. Hier unterzogen sie sich dem Antikenstudium oder, wie es Jacques-Louis David nannte, „einer Augenoperation“, so die Kuratorin des Städel Museums, Eva Mongi-Vollmer. Ein wesentlicher Aspekt der Ausstellungsmacher ist die Untersuchung der damals heftig diskutierten Frage, auf welche Weise Gefühle und Leidenschaft im Klassizismus dargestellt werden sollten. Johann Winckelmann, Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte, plädierte dafür, dass Gefühle in Stille überführt werden und sprach eher kritisch vom „frechen Feuer“ des Klassizismus. Künstler wie Canova oder David formulierten dagegen in ihren Werken Emotionen und Pathos in einem für die Zeitgenossen explosiven Klassizismus, der sich vor allem in der Körpersprache der Figuren ausdrückte. Anders als im Barock stand nicht mehr die Affektdarstellung im Vordergrund, sondern verinnerlichte Gefühle, in die  der Betrachter einzutauchen vermochte. Begleitend zur Ausstellung Schönheit & Revolution, die noch bis zum 26. Mai im Städel Museum läuft, ist im Hirmer Verlag ein umfangreicher, von Dr. Maraike Bückling und Dr. Eva Mongi Vollmer herausgegebener Katalog für € 39,80 erschienen. Ebenfalls bis zum 26. Mai wird in der , die eine hervorragende Erweiterung des Themas darstellt. um

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SCHÖNHEIT UND REVOLUTION. Klassizismus 1770–1820
Hg. Mareike Bückling und Eva Mongi-Vollmer
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 45,-
ZURÜCK ZUR KLASSIK. Ein neuer Blick auf das alte Griechenland
Hg. Vinzenz Brinkmann
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 49,90