Oskar, Max und Luise

No. 03/2017

Es scheint, als seien die Autoren in diesem Sommer auf den Geschmack gekommen, Kunst mit Literatur zu verbinden. Eine nicht ganz neue Idee, aber drei gelungene Beispiele lassen aufhorchen und sorgen für Leselust.

Die Revolutionärin und der Künstler
„Er war galant und zuvorkommend, energisch und klug“ erinnert sich Dora Jekimowskaja, genannt Darja, Jahre später an ihre erste Begegnung mit Oskar Schlemmer. Sie lernen sich 1910 in Berlin, im Kreis des Sturm-Galeristen Herwarth Walden kennen, Darja ist gerade 20, Otto Schlemmer zwei Jahre älter. Bereits als Jugendliche schließt sich Darja, geboren im zaristischen Slonim (heute Weißrussland), der jüdischen Arbeiterbewegung an, muss fliehen, lebt im Untergrund und landet schließlich in Berlin, wo sie ihre große Liebe Schlemmer trifft. Die beiden verbindet über Jahre hinweg eine intensive Beziehung, 1916 werden sie Eltern eines kleinen Jungen. Die Erzählung über das weitere Schicksal von Darja und ihre lebenslange Verbunden-heit mit Schlemmer – auch wenn sie längst kein Paar mehr sind – ist berührend. Nicht zuletzt durch den sehr persönlichen Stil des Buches, dem die Aufzeichnungen von Darjas Enkel, Alexei Jekimowski, zugrunde liegen, wird der Band zu einem authentischen Zeugnis eines bislang wenig beleuchteten Lebensabschnitts Oskar Schlemmers und gleichzeitig zum Spiegel eines erschütternden Kapitels der Zeitgeschichte.

Oskar & Darja
Oskar & Darja – Schlemmers Muse
Von Alexei Jekimowski und Sabine Appel
Hirmer Verlag € 17,90

„Es ist gut, Max“
Mit „Max“ ist der Maler und Bildhauer Max Ernst (1891–1976) gemeint, um den sich alles in dem 573 Seiten starken Roman von Markus Orths dreht. Und „drehen“ ist ein gutes Stichwort, denn bei diesem temporeich erzählten Buch kann einem schon mal schwindelig werden: Frauen, Liebe, Leiden(-schaft), rauschhaftes Kunstschaffen, Zerstören, Zweifel und die Überwindung von Konventionen – wer in das bewegte Leben von Max Ernst eintaucht, sollte nicht zimperlich sein. Es sind aber nicht nur seine „Frauengeschichten“, die thematisiert werden und auch weniger raffinierten Autoren eine reiche Vorlage für einen Romanstoff liefern könnten. Orths gelingt es, ein ungemein lebendiges Bild des 20. Jahrhunderts zu entwerfen und das künstlerische Schaffen und Streben von Max Ernst darin zu  verankern – geschrieben in einem Stil, der richtig Freude macht zu lesen.

Max


Max
Von Markus Orths
Carl Hanser Verlag € 24,–

Irrungen und Wirrungen
Die Blaupause – warum Theresia Enzensbergers Debütroman diesen Titel trägt, löst sich am Ende des Buches auf und wird hier nicht verraten – hat seit seinem Erscheinen großes und überwiegend positives Echo im Feuilleton erfahren. Das ist leicht nachvoll-ziehbar, denn das Thema verspricht Spannung.

Eine junge Frau studiert Anfang der Zwanzigerjahre am Weimarer Bauhaus, träumt davon, Architektin zu werden, wird zunächst in die Webwerkstatt abgeschoben, um sich jedoch bald erfolgreich gegen chauvinistische Vorurteile zu behaupten. Hinzu kommen amouröse Irrungen und Wirrungen, prominente Namen wie Johannes Itten, Paul Klee, Walter Gropius oder Wassily Kandinsky und zeitgeschichtliche Eckpunkte, die zusammen mit dem flotten Erzählstil dieses Buch zu einem rundum empfehlenswerten Lesevergnügen machen. Suchte man ein Haar in der Suppe, so fände man es, und man könnte es „Tagebuchprosa“ nennen. Phasenweise erinnern die beschriebenen, immer wieder wechselnden seelischen Befindlichkeiten der Hauptperson Luise Schilling an die Bekenntnisse eines Backfischs, die das Bauhaus mitunter zur Kulisse degradieren. um

Blaupause

Blaupause
Von Theresia Enzensberger
Carl Hanser Verlag € 22,–