„Ohne jede Furcht vor Farbe“

Olga Costa und Mexiko

No. 04/2022

Inmitten eines Früchteparadieses steht die Marktfrau und bietet ihre Ware an – eine überwältigende Vielfalt, und zählt man genau, kommt man auf 58 verschiedene Obstsorten. Das monumentale Bild Die Obstverkäuferin von Olga Costa (1913–1993) ist in seiner Formensprache, der Farbgebung und dem künstlerisch-politischen Anspruch ein ungewöhnliches Werk, das von zentraler Bedeutung für die Geschichte der modernen Kunst in Mexiko ist.

Olga Costa, La vendedora de frutas (Die Obstverkäuferin), 1951, Acervo Museo de Arte Moderno © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Sie war erst wenige Jahre zuvor in ihrer Wahlheimat Mexiko eingebürgert worden und stand am Anfang ihrer künstlerischen Karriere, als Olga Costa 1951 von offizieller Seite, dem Nationalen Institut der schönen Künste und Literatur von Mexiko, den Auftrag erhielt, ein großformatiges Ölgemälde zu malen. Das Auftragswerk sollte nach Zeiten von Bürgerkrieg und Revolution für den Neuanfang Mexikos stehen, für seinen Reichtum und Stolz, für die Selbstbestimmung der Frauen und Gleichberechtigung der indigenen Bevölkerung. Bis dahin waren in der patriarchal geprägten mexikanischen Kunstszene die staatlichen Aufträge an männliche Künstler wie Diego Rivera, José Clemente Orozco oder David Alfaro Siqueiros gegangen, doch Olga Costa konnte sich durchsetzen: Ihr Bewusstsein für die präkolumbische Geschichte ihres Landes und ihre besondere Art der mexikanischen Formensprache, die sie in ihre Werke – Landschaften, Szenen des alltäglichen Lebens und der indigenen Kultur, Stillleben und Porträts – einbrachte, sorgte für Erfolg und Anerkennung. Mit der Obstverkäuferin schuf Costa ihr Hauptwerk und gleichzeitig ein Bild, das ihr einen festen Platz in der mexikanischen Moderne sicherte.

Dass Leipzig als erster europäischer Ausstellungsort für Olga Costas Werk fungiert, ist kein Zufall. Costas Eltern waren kurz vor dem Ersten Weltkrieg aus dem ukrainischen Odessa in die Musikstadt Leipzig übersiedelt, wo der Vater, ein angehender Violinist und Komponist, am Königlichen Konservatorium der Musik studierte und 1913 Tochter Olga geboren wurde. 1925 emigrierte die Familie – vermutlich aus finanziellen Gründen – nach Mexiko. Mit der Schau Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne kehrt die Künstlerin mit Werken aus über 50 Schaffensjahren nicht nur in ihre Geburtsstadt zurück, sondern bringt auch herausragende Dialogpartner*innen mit, wie Frida Kahlo, Diego Rivera, Lola Àlvarez Bravo, María Izquierdo oder Lola Cueto. cv

Cover für Olga CostaOlga Costa
Dialoge mit der mexikanischen Moderne
1. Dezember 2022 bis 26. März 2023
Museum der bildenden Künste, Leipzig

Katalog zur Ausstellung
Deutsche und englische Ausgabe
Hirmer Verlag € 39,90