Lotte Laserstein

Aufregende Bildnisse der modernen Frau

No. 04/2023

Die deutsch-schwedische Malerin Lotte Laserstein (1898–1993) ist wohl die aufregendste Wiederentdeckung einer europäischen Künstlerin der letzten Jahre. Ihr langes Leben war zweigeteilt: Nach großen Erfolgen in Berlin emigrierte sie nach Schweden.

Lotte Laserstein, In meinem Atelier, 1928 © Lotte Laserstein Bildupphovsrätt 2023, Foto: Lotte Laserstein Archiv Krausse, Berlin

Bis 1937 lebte Lotte Laserstein in Deutschland, wo sie von 1921 bis 1927 als eine der ersten Frauen an der Berliner Hochschule für Bildende Künste studierte und frühe berufliche Erfolge feierte. Ihr gegenständliches Werk steht der Neuen Sachlichkeit nahe. Mehrere Kunstkritiker prophezeiten ihr eine große Zukunft als Malerin. Die Jahre 1925 bis 1933 zählten zu ihren produktivsten. Sie nahm an mehr als 20 Ausstellungen teil, darunter einer Einzelausstellung 1931 in der renommierten Berliner Galerie Gurlitt. Diese Erfolgssträhne endete abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Als Jüdin konnte sie nun weder ausstellen noch als Kunstlehrerin tätig sein, 1935 musste sie ihre private Kunstschule schließen. Daher nutzte sie die Einladung einer Stockholmer Galerie, ihre Arbeiten zu zeigen, um 1937 mitsamt ihren Hauptwerken nach Schweden zu emigrieren. Dort ging sie eine Scheinehe ein, womit sie nicht mehr Gefahr lief, nach Deutschland abgeschoben zu werden. Ihre Mutter wurde im KZ Ravensbrück ermordet, ihre Schwester überlebte im Untergrund.

Nach 1945 entschied sich Laserstein, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Sie hatte in Schweden eine neue Heimat gefunden, zunächst in Stockholm, später in der südschwedischen Kleinstadt Kalmar, wo sie ihren Lebensunterhalt durch Porträts, Landschaftsgemälde und Stillleben bestritt. In Berlin war die Malerin weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Wiederentdeckung der Künstlerin begann 1987 mit einer erfolgreichen Verkaufsausstellung in der führenden Londoner Kunsthandlung Agnews. 2010 erwarb die Berliner Nationalgalerie Lasersteins großformatiges Hauptwerk Abend über Potsdam (1930). Es folgten 2018 bis 2020 Retrospektiven in Frankfurt am Main, Berlin und Kiel sowie derzeit in Stockholm und Malmö.

Was fasziniert heute an Lasersteins Werk? In ihren Gemälden präsentiert sie das neue Bild der modernen Frau: modisch, sportlich, wirtschaftlich autark, mit Bubikopf, teilweise androgyn, und vor allem: selbstbewusst. So entstehen psychologisch tiefgründige Selbstbildnisse und zahlreiche Porträts von Lasersteins Lieblingsmodell Traute Rose. Diese hat Laserstein auch wiederholt als Akt Modell gestanden. Laserstein zählt zu den ersten Künstlerinnen, die sich der weiblichen Aktmalerei widmeten. Ob sie mit Traute Rose mehr verband als nur eine platonische Freundschaft, ist bis heute umstritten. wr

Lotte Laserstein A Divided Life
Bis 14. April 2024
Moderna Museet, Stockholm
Katalog zur Ausstellung
Text: Englisch und Schwedisch in getrennten Ausgaben

Hirmer Verlag € 39,90