Kunstkrimi Gotik
Der Münnerstädter Altar
No. 04/2020
Lassen sich Werk und ein fehlbares Künstlerleben strikt voneinander trennen? Dieser – auch in der modernen Kunst – oft gestellten Frage geht die Ausstellung Kunst und Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar im Bayerischen Nationalmuseum nach.
„Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Schonung, denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst“, heißt es im alttestamentlichen Buch der Weisheit, von dem die Justiz der Stadt Nürnberg im Jahr 1503 Gebrauch machte. Veit Stoß, der als Bildschnitzer großes Ansehen hatte, stand wegen Urkundenfälschung vor Gericht – einem Kapitalverbrechen, das üblicherweise mit dem Tod bestraft wurde. Veit Stoß kam gezeichnet, aber mit dem Leben davon, wie die Münchner Ausstellung vor Augen führt. Im Mittelpunkt steht der spätgotische Münnerstädter Altar, dessen Außenseiten der Flügel Veit Stoß 1504, ein Jahr nach seinem Urteil, mit figurenreichen Szenen bemalte. Mit 15 Metern Höhe ist es das größte Retabel des Würzburger Ausnahmebildhauers Tilman Riemenschneider, der 1492 seine erste belegte Auftragsarbeit für St. Maria Magdalena im unterfränkischen Münnerstadt schuf. Die Sanierung des Kirchenchors als ursprünglicher Aufstellungsort ermöglichte die Reise zentraler Elemente ins Bayerische Nationalmuseum, das Einzelteile aus seinem Besitz wie die Maria Magdalena sowie das Bildrelief Gastmahl im Hause des Simon mit Leihgaben u. a. aus Würzburg, Berlin und Nürnberg zusammenführt.
Die Entstehung des Altars sowie die Beweggründe von Veit Stoß, aus Nürnberg wider Erlaubnis zu fliehen und diesen für ihn einzigen Malauftrag anzunehmen, erörtert eine Autorenschaft im reich bebilderten Katalog. af
Kunst & Kapitalverbrechen Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar Bis 2. Mai 2021 Bayerisches Nationalmuseum, München Katalog zur Ausstellung Hg.Frank Matthias Kammel Hirmer Verlag € 39,90