Katharina Sieverding

Die Pionierin der Großformatfotografie

No. 01/2017

Das überlebensgroße, vergoldete Gesicht von Katharina Sieverding hat die Kunst der 1970er Jahre in Deutschland geprägt. Die Bonner Kunsthalle richtet der Ausnahme-Künstlerin jetzt eine umfassende Übersichtsschau mit dem Titel Kunst und Kapital ein. Zu sehen sind Werkserien, die zwischen 1967 und 2017 entstanden sind.

Katharina Sieverding, Deutschland wird deutscher XLI-92, 1992, Plakatierung in Berlin vom 30. April bis 12. Mai 1993 © Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2017; Foto: studio111a, VG Bild-Kunst Bonn 2017

Katharina Sieverding, Deutschland wird deutscher XLI-92, 1992, Plakatierung in Berlin vom 30. April bis 12. Mai 1993 © Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2017; Foto: studio111a, VG Bild-Kunst Bonn 2017

Als Katharina Sieverding 1972 als Meisterschülerin bei Joseph Beuys an der Akademie in Düsseldorf ihr Studium abschloss, war die Kunstszene extrem politisiert: In Zeiten der Studentenunruhen, der Emanzipation, der nuklearen Aufrüstung und des Vietnamkrieges war es undenkbar, künstlerische und politische Arbeit klar voneinander zu trennen.

Katharina Sieverding, Global Desire, 2016 © Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Katharina Sieverding, Global Desire, 2016 © Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Das bevorzugte Medium der in Prag geborenen Künstlerin ist von Anfang an die Fotografie. Sie erneuert das künstlerische Potenzial des damals in der Kunst noch relativ jungen Mediums auf radikale Weise. Technisch äußerst versiert und experimentierfreudig, kommt sie durch Mehrfachbelichtungen, Überblendungen, Schichtungen und Überlagerungen zu völlig neuen Ergebnissen und wird zur Pionierin der Großformatfotografie. Formate werden bis an die Grenzen des Machbaren ausgelotet oder Details so vergrößert, dass Motive in einzelne Rasterpunkte zerfallen. Ein Grundprinzip dabei ist das Arbeiten in Serien. Es erlaubt ihr sowohl das Hinterfragen und die graduelle Annäherung an die eigene Identität als auch die Stellungnahme zu politisch-gesellschaftlichen Fragen. Fragen, die in ihrer Komplexität der Vielschichtigkeit der Serie bedürfen und keine eindeutigen Antworten bzw. endgültigen Bilder zulassen. Die Sonne um Mitternacht schauen von 1973 ist eine dieser bahnbrechenden Serien, die das androgyne, in Gold getauchte, maskenhafte Antlitz der Künstlerin zeigen. Die Kunstszene feierte die widerständige Künstlerin mit dem unnahbaren Gesicht einer Kämpferin für Genderdiskurs und Emanzipation. Bis 1982 nahm sie dreimal an der Documenta teil, auf der Biennale in Venedig war sie ebenfalls dreimal vertreten. 1997 gestaltete sie dort den deutschen Pavillon gemeinsam mit Gerhard Merz. Dort zeigte sie Röntgenbilder ihrer Selbst, riesige, überlebensgroße Totenschädel, die zu Memento mori der Gegenwart wurden. Zur aktuellen Ausstellung in Bonn erscheint im Hirmer Verlag ein umfassender Katalog, anhand dessen sich das beeindruckende Œuvre der unterdessen 73-jährigen Künstlerin präzise nachverfolgen lässt. ck

9783777428376_3Dn
Katharina Sieverding
Kunst und Kapital
Bis 16. Juli 2017
Bundeskunsthalle Bonn

Katalog Hirmer Verlag € 45,–