Grillparzer auf Odyssee

No. 04/2023

Am 27. August 1843 begibt sich Schriftsteller Franz Grillparzer auf sein letztes großes Abenteuer. In seiner Geburtsstadt Wien besteigt er eines der Dampfschiffe, die ihn über die Donau nach Belgrad und weiter über das Schwarze Meer nach Athen führen werden. Die Wünsche an seine Reise sind groß: Auf dieser Fahrt will er nicht nur sagenumwobene Orte erkunden, sondern sich auch gewaltsam aus seiner üblichen lethargischen Verstimmtheit reißen.

Eine Erwartung des „Großartigen durchströmt Grillparzers Gedanken, als er die Kykladen, Konstantinopel, Troja und Delphi die Donau entlang ansteuert. Doch seine Reise wird von Beginn an zu seiner persönlichen Odyssee, von Widerwärtigkeiten aller Couleur begleitet. Durchfall, Seekrankheit, trostlose Unterkünfte, aufdringliche Weggefährten und Quarantäne, nichts scheint dem österreichischen Nationaldichter erspart zu bleiben. Selbst im Zentrum des antiken Griechenland findet sich Grillparzer inmitten einer Revolution gegen den „albernen König von Bayern“ wieder. „War froh, wieder fortzukommen. Warum? Weil ich mich nicht freute, herzukommen“, notiert er in sein Tagebuch.

In seinen Einträgen präsentiert sich Grillparzer als Grantler der ersten Stunde. Dennoch zeichnet er mit seinen stilistischen Wendungen und aufmerksamen Beobachtungen seines eigenen Leids ein höchst amüsantes und gleichzeitig authentisches Bild eines Reisenden im 19. Jahrhundert, mit dem sich mancher Grand-Tourist auf stockender Reise gen Süden zu identifizieren vermag. fz

Das habe ich mir anders vorgestellt
Tagebuch auf der Reise nach Griechenland
Von Franz Grillparzer
Gebunden, 96 Seiten

Jung und Jung € 16,–