Göttinnen des Publikums
Schadows Prinzessinnengruppe
No. 03/2022
Sie war der Star ihrer Zeit. Eine Königin, leutselig und unkonventionell, mit politischen Ambitionen, eine gefeierte Schönheit und über die Maßen beliebt – Preußens Luise. In einer Doppelhochzeit waren die 17-jährige Mecklenburger Prinzessin und ihre jüngere Schwester Friederike 1793 an den preußischen Hof verheiratet worden, und schon ein Jahr später begann Johann Gottfried Schadow (1764–1850) die Arbeit an ihrem gemeinsamen Porträt.

Johann Gottfried Schadow, Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen (Detail), 1795, Nationalgalerie, Berlin © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Andres Kilger
Was der Hofbildhauer in Szene setzte, war vollkommen neu: Ganzfigurig und lebensgroß, ohne herrschaftliche Attitüde und Insignien sollten die beiden jungen Frauen den Betrachtenden begegnen. Es scheint in beiden Fassungen der Skulptur, als habe ein lässiger Moment sie zusammengeführt. Die selbstverständliche Umarmung in alltäglicher Intimität entsprach zugleich dem Freundschaftsideal der Zeit und war getragen vom Sentiment der Empfindsamkeit.
Im künstlerischen Kalkül der wie absichtslos vorgetragenen Beobachtung von Wesentlichem und Zufälligem steigerte Schadow die Anmut seiner Modelle. Tatsächlich haben ein Proportionskanon und die Antikenrezeption, formale Leitbilder und Italienerfahrung genauso zum Entwurf der schier unendlich reproduzierten Prinzessinnengruppe beigetragen wie minutiöse Studien nach der Natur. Genau die aber missfielen Luises Ehemann, dem König Friedrich Wilhelm III.: Ihm war dieses Bild seiner Frau und ihrer lebenslustigen Schwester zu lebensnah und deshalb „fatal“, und so verschwand es für Jahrzehnte aus der Öffentlichkeit, in die es nun restauriert und kunsthistorisch neu betrachtet zurückgekehrt ist. mk
Johann Gottfried Schadow Berührende Formen 21. Oktober 2022 bis 19. Februar 2023 Alte Nationalgalerie, Berlin Katalog zur Ausstellung Deutsche und englische Ausgabe Hirmer Verlag € 49,90