Fresko-Kunsträtsel

No. 01/2017

WER BIN ICH?

Meine ersten Kunstwerke landeten im Ofen. Vom Fenster unseres Speisezimmers aus hatte ich unzählige Zeichnungen von ein- und ausfahrenden Eisenbahnzügen angefertigt. Ein Motiv, das sich anbot, denn wir wohnten damals über der Bahnstation. Eines Tages raffte meine Mutter die langen Papierstreifen mit den detailgenauen Abbildungen zusammen und warf sie allesamt ins Feuer. Vielleicht gingen ihr die Nerven durch, denn damals nahm die für seine Umwelt aufreibende Krankheit meines Vaters stetig zu. Und vielleicht hatte er meine Mutter in gewisser Weise inspiriert, denn man erzählte sich, er habe in einem Anfall von geistiger Verwirrung den gesamten Aktienbesitz der Familie in den Ofen gesteckt und verbrannt. Dass meine Kunst nicht jedermann gefiel, war ich also von klein auf gewohnt.

Auf der Akademie schätzte man – natürlich – mein Talent nicht, dort wurde gelehrt, was mich langweilte. Zusammen mit Freunden gründete ich eine Künstlergruppe, brach das Studium ab und widmete mich der Malerei. Meinem Onkel, der nach dem frühen Tod meines Vaters die Vormundschaft für mich übernommen hatte, behagte mein Künstlerleben nicht sonderlich, schon gar nicht meine fordernden Briefe, mit denen ich ihn etwas forsch – er nannte es „frech“ – immer häufiger um Geld bat. Wohl missfielen ihm auch meine Zeichnungen, die ich von schwangeren Frauen angefertigt hatte, überhaupt war ich in den Augen vieler ein „Schlingel“, mit dem man „kein Mitleid“ haben müsse, wie es meine Tante ausdrückte.

Obwohl ich mich auch mit Literatur auseinandersetzte und neben der Malerei expressionistische Gedichte verfasste, muss ich in meinen Briefen gelegentlich den falschen Ton erwischt haben. Als ich nach der Trennung von meiner ersten großen Liebe und Muse ihr beim letzten Treffen einen Brief überreichte, in dem ich ihr anbot, trotz meiner neuen Lebenspartnerin mit ihr „alljährlich im Sommer eine mehrwöchige Erholungsreise zu unternehmen“, schlug sie dies einigermaßen empört aus.

Viele haben sich an mir, meiner Kunst und meinem Lebenswandel gestoßen. Freunden und Weggefährten, die mich bis zu meinem frühen Tod nach allen Kräften unterstützten, blieb ich jedoch als ein „guter und gütiger“ Mensch, freier Geist und genialer Künstler in Erinnerung – wie übrigens der Nachwelt auch.

Wer bin ich?

– Wer bin ich? –

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