Ein Garten der Unordnung

Die 56. Biennale

No. 02/2015

Von Caroline Klapp

Unter dem Titel „all the World’s Futures“ hat am 9. Mai – einen Mo­nat früher als sonst – die 56. Bien­nale in Venedig eröffnet. Die ne­ben der Documenta in Kassel weltweit bedeutendste Kunst­schau gibt in 89 Länderpavillons und über 40 Zusatzveranstaltun­gen Überblick über aktuelle Ten­denzen der Gegenwartskunst.

Irina Nakhova, The Green Pavilion, 56th International Art Exhibition - la Biennale die Veneia, All the World's Futures, 2015 Courtesy by Biennale die Venezia, Foto: Sara Saguli

Irina Nakhova, The Green Pavilion, 56th International Art Exhibition – la Biennale die Veneia, All the World’s Futures, 2015 Courtesy by Biennale die Venezia, Foto: Sara Saguli

Wie in jedem zweiten Jahr pilgerte in den Tagen vor der Eröffnung die internationale Kunstszene in die Lagunenstadt: teilnehmende Künstler, Galeristen, Museumskuratoren und Sammler, die mit ihren Jachten gerne direkt vor den Giardini ankern, um zu sondieren, was einen Monat später auf der Art Basel gekauft werden soll. Denn während es bei der Documenta vornehmlich um die intellektuelle Glaubwürdigkeit geht, geht es in Venedig auch um die Glaubwürdigkeit für den Markt. So sieht es der künstlerische Leiter der Ausstellung, der gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor, der 2002 bereits die Documenta kuratiert hat, lange in New York lebte und heute das Haus der Kunst in München leitet. Da erscheint es passend, dass tägliche Lesungen aus Karl Marx’ Hauptwerk Das Kapital den programmatischen Überbau für die Ausstellung im zentralen Pavillon der Giardini bilden. Für Okwui Enwezor ist es der „Garden of Disorder“, ein „Garten der Unordnung“ als Ort einer verfehlten Utopie. Andreas Gurskys großformatige Fotoarbeiten von der Tokioter Börse, Walker Evans ergreifende Schwarz-Weiß-Fotografien der fahlen Gesichter einer postindustrialisierten Gesellschaft von 1936 oder die Videoarbeit Kapital von Isaac Julien fügen sich ins Konzept. In den Länderpavillons, deren Künstler nicht von Enwezor, sondern den jeweiligen Kuratoren bestellt wurden, gibt es, wie jedes Mal, große Qualitätsunterschiede.

Enttäuschend das zur leeren Geste verkommene Spiel mit sexistischen Provokationen von Sarah Lucas bei den Briten oder Irina Nakhovas ostentative, effektheischende Gasmasken-Installation bei den Russen. Scharfsinnig und sensibel dafür die Dänen mit dem in Vietnam geborenen Danh Vo, der aus dänischen Designermöbeln und Fragmenten antiker und mittelalterlicher Skulpturen überraschend Neues schafft. Überzeugend auch die Österreicher, deren Pavillon Heimo Zobernig durch einen geschickten architektonischen Eingriff in einen Ort der Kontemplation und Ruhe verwandelt. Im belgischen, 1907 als ersten erbauten Nationalpavillon gelingt der postkoloniale Diskurs, indem Elisabetta Benassi in einer Hollywood- schaukel aus Knochen „King Leopold’s Soliloquy“ von Mark Twain lesen lässt und so auf die Tragödie des Kongo verweist.

Das Arsenale, die ehemaligen Schiffswerften von Venedig, hat in diesem Jahr der tansanische Architekt David Adjaye in ein Labyrinth verwandelt, das den Besucher durch einen überfrachteten Parcours mit disparaten, oft unstimmig gegenübergestellten künstlerischen Positionen führt. Es begegnen einem dort neben teilweise unbekannten Künstlern aus Afrika, Indien oder Asien, die großen Namen wie Bruce Nauman, Chris Ofili, Lorna Simpson, Marlene Dumas und Georg Baselitz. Dabei stellt sich eher Reizüberflutung als ein erhellendes Gesamtbild ein.

Die Biennale ist bis zum 22. November geöffnet und die Reise dorthin lohnt bis zu den letzten Tagen, in denen sich bereits Nebelschwaden und eine leichte Patina über die Kunstwerke in den Giardini und im Arsenale legen. ck

Biennale Arte Giardini-Arsenale

Bis 22. November 2015, Täglich 10–18, Montags geschlossen