Die Begegnung von Dürer und Celtis

Ein Glücksfall für die Nachwelt

No. 04/2015

„Im Grunde also ist alles ganz einfach“ – wenn ein weltweit renommierter Dürer-Forscher wie Thomas Schauerte diesen Satz wie einen Schlussstein ans Ende seines Vorwortes setzt, sollte man aufhorchen. Und darf sich freuen. Auf ein hochspannendes Buch, das nicht nur neue Erkenntnisse über Dürers Frühwerk zutage fördert, sondern mit der Poetenschule auch eines der wichtigsten Phänomene der Nürnberger Kul- turgeschichte beleuchtet.

Der Kranke am Brunnenstock, Detail aus: Albrecht Dürer, Das Männerbad, 1496, GNM Nürnberg

Der Kranke am Brunnenstock, Detail aus: Albrecht Dürer, Das Männerbad, 1496, GNM Nürnberg

Als sich Albrecht Dürer und Konrad Celtis – der eine ein noch weitgehend unbekannter Maler, der andere bereits ein berühmter Literat und zentraler Vertreter des deutschen Humanismus – im Jahr 1496 in Nürnberg begegnen, bedeutet dies für die Nachwelt einen der größten Glücksfälle der Kulturgeschichte Deutschlands. Konrad Celtis, Winzersohn aus Unterfranken, wurde 1487 in der Nürnberger Kaiserburg von Kaiser Friedrich III. als erster Deutscher zum poeta laureatus, zum lorbeerbekränzten Dichter gekrönt. Er setzt sich früh für die Verbreitung der sprach- und bildungsreformerischen Ideale des Humanismus ein sowie für die Aufwertung des Poeten zu einem universal gebildeten Ratgeber der Mächtigen. Auf diesen leidenschaftlichen Humanisten trifft der junge Albrecht Dürer und ist fasziniert von ihm.

Gründlich unterschätzt

Zur gleichen Zeit wird gegen alle Widerstände der Kirche die Nürnberger Poetenschule eröffnet. Eine Bildungseinrichtung, die nach den neuesten humanistischen Methoden vor allem die Söhne des Großbürgertums und des Adels auf das Universitätsstudium vorbereiten soll. Sowohl der enge Austausch mit Celtis und seinen Idealen als auch der Geist der Poetenschule werden auf das Frühwerk Dürers entscheidenden Einfluss nehmen. Wie Steine eines Mosaiks fügt der Autor die kunst- und kulturgeschichtlichen Details zu einem Gesamtkontext zusammen und kommt zu einer verblüffenden wie schlüssigen Neudeutung von fünf frühen Arbeiten Dürers. Neben dem Holzschnitt Ercules widmet sich Schauerte u.a. zwei weiteren Großholzschnitten, Reiter und Landsknecht und Das Männerbad, die bislang als reine Genredarstel lungen ohne tiefere Bedeutungsebene gründlich unterschätzt wurden.

Thomas Schauerte versteht es glänzend, wissenschaftlich fundierte Inhalte auch einem Laien verständlich, durch seine charmante Sprache geradezu unterhaltsam nahezubringen. Damit tritt er – im Übrigen nicht erst mit diesem Buch – in die Fußstapfen der großen Kunstschriftsteller.

Selten gezeigte Dürer-Werke

Das ansprechend gestaltete Buch, in dem es über die erwähnten Holzschnitte hinaus auch viele selten gezeigte Dürer-Werke zu sehen gibt, wird sich auf einem ganz besonderen Platz innerhalb der Dürerpublikationen zu behaupten wissen. cv

Dürer & Celtis
Die Nürnberger Poetenschule im Aufbruch
Von Thomas Schauerte
Klinkhardt & Biermann € 23,90