Des Künstlers Kleider

Mode und Gesellschaft um 1900

No. 04/2018

Von Cordula Gielen

Kleider sind heute wie selbstverständlich Ausdruck unserer Persönlichkeit. Dass das nicht immer so war, insbesondere für die Frau, daran erinnert das Künstlerkleid in der Reformbewegung um 1900. Es wurde Symbol für den Aufbruch aus einer Ära von Konformismus, strengen Korsettschnürungen und weiblichem Dekorationsdasein, hin zu Emanzipation und Selbstbestimmung.

Maximilian Snischek, Modeentwurf Mantel, 1914, MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, Foto: MAK

„Ästhetik für jedermann“, hieß das Ziel der Reformbewegung um 1900, welche die ästhetische Gestaltung in den Mittelpunkt des alltäglichen Lebens stellte und damit einen neuen Kunststil prägte. Mitunter beeinflusst von dem englischen Arts and Crafts Movement, standen handwerkliche Tradition und künstlerischer Aspekt im Fokus etwa der Wiener Werkstätten. Künstler wie Henry van de Velde, Alfred Mohrbutter oder Heinrich Vogeler entwarfen als Teil eines Gesamtkunstwerks das Künstlerkleid. Mit fließenden Schnitten und feiner Künstlerseide brachten die Reformer, darunter Anna Muthesius, die neuen Werte von Ästhetik, Individualität und körperlicher Ungezwungenheit in Umlauf und revidierten mit ihren Entwürfen den Spottnamen „Reformsack“. Auch wenn langfristig die Idee einer handwerklich wie ästhetisch anspruchsvollen Kleidung für die breite Masse scheiterte, ist die „künstlerische Hebung der Frauentracht“ ein Meilenstein in der Geschichte von Kunst und Mode und im Selbstverständnis der modernen Frau, die in ihrem Kleiderschrank selbst auswählt. cg

Cover für Auf Freiheit zugeschnittenAuf Freiheit zugschnitten
Das Künstlerkleid um 1900
Bis 24. Februar 2019
Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,–