Des Künstlers Kleider
Mode und Gesellschaft um 1900
No. 04/2018
Von Cordula Gielen
Kleider sind heute wie selbstverständlich Ausdruck unserer Persönlichkeit. Dass das nicht immer so war, insbesondere für die Frau, daran erinnert das Künstlerkleid in der Reformbewegung um 1900. Es wurde Symbol für den Aufbruch aus einer Ära von Konformismus, strengen Korsettschnürungen und weiblichem Dekorationsdasein, hin zu Emanzipation und Selbstbestimmung.
„Ästhetik für jedermann“, hieß das Ziel der Reformbewegung um 1900, welche die ästhetische Gestaltung in den Mittelpunkt des alltäglichen Lebens stellte und damit einen neuen Kunststil prägte. Mitunter beeinflusst von dem englischen Arts and Crafts Movement, standen handwerkliche Tradition und künstlerischer Aspekt im Fokus etwa der Wiener Werkstätten. Künstler wie Henry van de Velde, Alfred Mohrbutter oder Heinrich Vogeler entwarfen als Teil eines Gesamtkunstwerks das Künstlerkleid. Mit fließenden Schnitten und feiner Künstlerseide brachten die Reformer, darunter Anna Muthesius, die neuen Werte von Ästhetik, Individualität und körperlicher Ungezwungenheit in Umlauf und revidierten mit ihren Entwürfen den Spottnamen „Reformsack“. Auch wenn langfristig die Idee einer handwerklich wie ästhetisch anspruchsvollen Kleidung für die breite Masse scheiterte, ist die „künstlerische Hebung der Frauentracht“ ein Meilenstein in der Geschichte von Kunst und Mode und im Selbstverständnis der modernen Frau, die in ihrem Kleiderschrank selbst auswählt. cg
Auf Freiheit zugschnitten Das Künstlerkleid um 1900 Bis 24. Februar 2019 Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 45,–