Der Sonne ausgesetzt

Die Bauhaus-Architektur in Tel Aviv

No. 04/2018

Von Cordula Gielen

„Fotografie ist Lichtgestaltung“, lautet das Motto des Tel Aviver Fotografen und Architekten Yigal Gawze. Als Erforscher des Bauhaus-Stils der 1930er Jahre in Tel Aviv begegnet er den frühen Bauhaus-Häusern aus der Perspektive eines Flaneurs und fokussiert dabei auf einen Konturen und Tiefen „zeichnenden“ Schattenwurf.

Zlotopolsky House, 9 Gordon St., Tel Aviv. Architekten: d. Karmi & Z. Barack, 1935, Foto: © Yigal Gawze

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 emigrierten jüdische Architekten nach Tel Aviv und erbauten dort nach dem Vorbild ihrer Professoren Walter Gropius, Mies van der Rohe u.a. Häuser im Bauhaus-Stil. Bedingt durch das heißere Klima unterscheiden sie sich in einigen Merkmalen von der reduzierten Formensprache des deutschen Vorbilds, wie etwa den von Pergolen überstellten Flachdächern, umlaufenden Balkonen und vertikalen Lichtleisten entlang der Treppenhäuser. Mit zunehmendem Effizienzwahn im Wohnungsbau drohten ihnen jedoch Jahre später Verfall und Abriss – erst ein wiederaufflammendes Bewusstsein für den Wert der Bauten des Internationalen Stils in den 1980er Jahren sicherte den Erhalt. So beherbergt die „Weiße Stadt“, seit 2003 als Unesco-Kulturerbe gelistet, noch heute die weltweit größte Sammlung an Häusern im Bauhaus-Stil. Gawze fotografierte die Bauwerke meist nach Instandsetzung ab 1993 und wählte im gleißenden Sonnenlicht die Perspektive eines Flaneurs, um die Imposanz der weißen Fassaden vor dem tiefblauen Himmel und die Eleganz der Treppenhäuser einzufangen. Damit gelingt ihm eine lebendige Bilderschau über ein architektonisches Erbe der Moderne, die dazu animiert, nach Tel Aviv zu folgen. cg

Cover für Form and LightYigal Gawze
Form and Light
From Bauhaus to Tel Aviv
Text: Deutsch/Englisch
120 Seiten, 100 Farbabbildungen

Hirmer Verlag € 45,–