Das Bild auf Stein

Ein Genre wird wiederentdeckt

No. 04/2020

Malen auf Stein war – kunstgeschichtlich betrachtet – bisher kein vereinzeltes Phänomen, sondern ein verbreitetes Medium, mit dem Künstler in ihren Gemälden bestimmte Effekte erzielten. Die prächtigen, von der Natur gegebenen Strukturen des Steins lieferten ihnen dafür oft besondere Anregungen.

Antonio Tempesta, Verkündigung der Jungfrau Maria (Vorderseite), nach 1600

Dunkler Schiefer, heller Marmor, weißer Alabaster oder violetter Amethyst – dass Stein einen wichtigen Beitrag bei der künstlerischen Gestaltung leisten kann, zeigt die Ausstellung Paintings on Stone derzeit im Saint Louis Art Museum. Den Anlass für die Schau gab der Ankauf des Gemäldes Perseus rettet Andromeda, das Giuseppe Cesari im Jahr 1693/94 mit Öl auf leuchtendblauem Lapislazuli malte. Dabei bezog er die bewegte Struktur des traditionell als Pigment in der abendländischen Kunst verwendeten, äußerst wertvollen Steins mit ein und verwendete ihn als Hintergrund für die dramatische Szene mit dem Drachen.

Die in den USA über 100 präsentierten groß- und kleinformatigen Objekte aus der Zeit von 1530 bis 1800 vereint auch der im Hirmer Verlag erschienene Begleitkatalog, der anhand von Werken von Sebastiano del Piombo und Tizian bis Gerard van Spaendonck und Jacques Stella eine Reise durch Europa unternimmt. Die Anfänge dieser Gattung in Rom des 16. Jahrhunderts über deren Einsätze im 17. Jahrhundert in der niederländischen religiösen Kunst bis hin nach Wien und in die Kunst- und Wunderkammer von Rudolf II. beleuchten renommierte Wissenschaftler in zahlreichen Essays. Ihre Forschungen erzielten spannende Ergebnisse: Neben der Eigenschaft als Bildträger offenbart Stein in seiner Virtuosität von Farbe, Struktur und Haptik eine hohe ästhetische Qualität, für die sich bereits die Naturwissenschaftler der frühen Neuzeit begeisterten und schon damals den Stein per se als Kunstwerk oder Wunder der Natur betrachteten. Auf eben dieser Basis begegneten ihm auch die Künstler und realisierten mit gestalterischer sowie technischer Raffinesse eine Fülle an innovativen Bildideen. bw

Cover für Paintings on StonePaintings on Stone
Science and the Sacred. 1530-1800
Bis 17. Januar 2021
Saint Louis Art Museum, Missouri
Katalog zur Ausstellung
Text: Englisch
320 Seiten, 200 Abbildungen
Hirmer Verlag € 49,90