Das Bild als Bühne
René Myrhas Universum
No. 01/2022
Wer sich in die farbintensiven und mit verschiedenen Realitätsebenen spielenden Welten des Künstlers René Myrha begibt, den erwartet „ein einzigartiges Universum“, wie der Untertitel der Ausstellung im Kunstmuseum Thun und der Publikation verspricht. Der repräsentative Überblick über Myrhas Werke aus der Zeit der Pop-Art bis in die Gegenwart zeigt die Einflüsse diverser künstlerischer Strömungen und Techniken auf seine Arbeiten, die von Stillleben über Landschafts- und Architekturdarstellungen bis hin zu komplexen Figurenkompositionen reichen.
René Myrha wird 1939 in Delsberg im Schweizerischen Kanton Jura als René Pagnard in eine Uhrmacherfamilie geboren. Nach seiner Ausbildung als Grafiker arbeitet er in Basel und Mailand, häufig hält er sich bei seiner Schwester in Paris auf, die in der Rue Myrha wohnt – von nun an wird dies sein Künstlername sein. Bis in die Jahre 1967/68 sind seine Werke, vor allem Zeichnungen, aber auch Ölbilder, Gouachen und Lithografien, von suchender Experimentierfreude geprägt. Thematisch herrschen stilisierte Landschaftskompositionen vor, die organische und geometrische Formen in intensiv-leuchtenden Farbflächen vereinen. Neben der plakativen Ästhetik der Pop-Art, die seine Bilder prägt, fasziniert ihn auch das dreidimensionale Ausloten mit neuen, künstlichen Materialien aus der Konsumwelt der 1960er und 70er Jahre, wie Polystyrol, Nitrospray und Acetate, die beispielsweise in der Objektgruppe Art-Moires Anwendung finden. Waren seine Werke bis dahin figurenlos, bevölkern nun unterschiedlichste Kreaturen seine Welten, die Geschichten erzählen wollen. In den 1990er Jahren beginnt Myrha, mit Transparentpapier zu arbeiten, um durch Umdrehen oder Überlagerung von ausgeschnittenen oder gezeichneten Elementen seiner endgültigen Kompositionen auf die Spur zu kommen – eine Technik, die er bis heute anwendet. Rätselhafte Werke wie Atelier III spiegeln diesen kreativen und poetisch-erzählenden Charakter wider und machen neugierig auf René Myrhas gesamtes Universum, das sich in dem vom Künstler eng in seiner Entstehung begleiteten Band René Myrha versammelt und in der Thuner Ausstellung noch bis zum 1. Mai zu bewundern ist. cv
René Myrha A singular Universe Bis 1. Mai 2022, Kunstmuseum Thun Katalog zur Ausstellung Hrsg. von Helen Hirsch, Kunstmuseum Thun Text: Deutsch/Englisch/Französisch 120 Seiten, 64 Farbabbildungen Hirmer Verlag € 29,90