Cave Canem

Chaplin trifft Churchill

No. 04/2014

Michael Köhlmeiers frei vorgetragene Erzählungen über die antiken Mythen sind legendär. Er schafft es, mit Intelligenz und Verve Götter und Göttinnen in ihren Handlungen und Entscheidungen profan und somit allzu menschlich darzustellen. In seinem Roman Zwei Herren am Strand gelingt ihm nun das Kunststück, aus allzu Menschlichem schier Titanenhaftes zu schaffen.

978-3-446-24603-4_21457141328-115Winston Churchill und Charlie Chaplin litten bekanntlich beide an Depressionen. Real sind sich beide begegnet, bei Köhlmeier werden sie zu Freunden. Sie kämpfen gemeinsam gegen Hitler, aber auch gegen ihre Selbstmordgedanken, die beide seit der Kindheit plagen. Sie versprechen einander, sofort zu Hilfe zu eilen, falls „der schwarze Hund“ – die Depression – aus dem Käfig ausgebrochen sei. Das Motiv des Romans mag zwar fiktiv sein, aber Michael Köhlmeier versteht es, mit erstaunlichem Faktenwissen eine Geschichte zu erzählen, die von Seite zu Seite immer bodenständiger wird, aber dann auf einmal abhebt. Kein Wunder, ist der Autor doch ein großer Fabulierer und in der Arbeit mit doppeltem Boden und Spiegelungen ein Meister.

Schatzkanzler und Schauspieler

So bleibt der Plot überaus spannend, ohne das Motiv oder die Protagonisten vollends preiszugeben. Man nimmt Churchills und Chaplins Leiden und Selbstzweifel ernst, und das Knurren „des schwarzen Hundes“ ist letztendlich alles andere als fantastisch. Ein geistreicher und tragischkomischer Roman, der Kunst und Politik des 20. Jahrhunderts beleuchtet. kh

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Zwei Herren am Strand 
Von Michael Köhlmeier 256 Seiten, gebunden 
Hanser Verlag € 17,90