Andy Warhol

Mit Fummel und Zeichenstift

No. 02/2018

Von Caroline Klapp

Warhols Marylin zählt heute zu den meistreproduzierten Kunstwerken des 20. Jahrhunderts. Ihr zur Ikone gewordenes Antlitz ziert Mousepads und Kaffeetassen weltweit. Für jeden, der gern hinter die Fassade blickt und sich für die frühesten Anfänge der Auseinandersetzung mit dem Frauenbild in Andy Warhols Werk interessiert, erscheint jetzt eine aufschlussreiche und hoch interessante Publikation in englischer Sprache: Andy Warhol. Drag & Draw. The unknown Fifties.

Die Kunsthistorikerin und Amerikanistin Nina Schleif konnte für ihr Buch mit bisher unbekanntem Material aus Warhols Nachlassarchiv arbeiten. Dabei widmet sie sich zwei frühen Serien von Zeichnungen, die formal an die teilweise leicht süßlichen Katzen- und Schuhzeichnungen der 50er Jahre erinnern, inhaltlich aber für die damalige Zeit von ungeahnter Brisanz und klarer Stellungnahme zu einem bis heute aktuellen Thema zeugen. Mit Ladies’ alphabet und der Drag series offenbart Warhol bereits ganz zu Beginn seiner künstlerischen Karriere – er war Mitte 20 – seine intensive Auseinandersetzung mit Transgender und Transvestismus. Das „Frauen A–Z“, das tatsächlich bei V endet, offenbart eine humorvolle Bandbreite an weiblichen Stereotypien: Da geht es um den passenden Lippenstift zum Kleid, die Shoppingtour zu Saks auf der Fifth Avenue, aber auch den lästigen Bart, der im Salon professionell entfernt werden muss („M was her mustache / removed in our / salon“). Warhol bezieht sich hier auf die Schwarz-Weiß- Fotografien von Otto Fenn, die das Buch um eine weitere Dimension bereichern. Fenn war selbst einer der Protagonisten der damaligen New Yorker Transvestitenszene, und seine Foto-Sessions im Fummel – so die wohl angemessenste Übersetzung für drag – zeugen von einem wunderbaren Selbstbewusstsein und Spaß am Spiel mit den Geschlechterrollen.

Andy Warhol. Drag & Draw
The Unknown Fifties
Von Nina Schleif
144 Seiten, 142 Abbildungen in Farbe
gebunden 
Hirmer Verlag € 34,90