Andreas Schlüter

Der preußische Michelangelo

No. 01/2014

Von Wilfried Rogasch   
In jüngster Zeit gibt es in Deutschland eine erstaunliche Renaissance der Schlösser: Im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte und danach abgerissene Bauwerke werden äußerlich wiederhergestellt und innen neu gestaltet, so in Braunschweig (2007), Hannover-Herrenhausen (2013) und Potsdam (2014).

9783777422008_3DnDer anspruchsvollste Bau in dieser Reihe ist das Berliner Schloss, für das der Bundespräsident nach über 20-jähriger Debatte 2013 den Grundstein legte. Das originale Schloss war 1950 von der DDR-Regierung gesprengt worden. An seine Stelle trat der Palast der Republik, der wiederum 2006 abgerissen wurde. Drei von vier Außenfassaden sollen nun rekonstruiert werden – ebenso wie der Schlüterhof – und im Inneren das Humboldt-Forum für Kultur, Kunst und Wissenschaft aufnehmen. Für 2019 ist die Eröffnung geplant.

Der wichtigste Architekt des Schlosses war der um 1660 in Danzig geborene Andreas Schlüter. Nach einigen Dienstjahren am polnischen Königshof in Warschau berief ihn Kurfürst Friedrich III., seit 1701 König Friedrich I. in Preußen, 1694 zum Hofbildhauer. Er schuf die ergreifenden 22 Köpfe sterbender Krieger im Innenhof des Berliner Zeughauses, die in ihrem grausamen Realismus den Todeskampf als Kehrseite der glorifizierenden Kriegskunst zeigen. Schlüters prachtvolles Reiterstandbild des Großen Kurfürsten stand zunächst auf der Langen Brücke gegenüber des Schlosses. Im Zweiten Weltkrieg auf dem Wasserwege evakuiert, kenterte der Lastkahn, Ross und Reiter versanken im Tegeler See und konnten erst 1950 gehoben werden. Heute steht das Denkmal vor Schloss Charlottenburg. Weitere Werke Schlüters sind die Kanzel der Marienkirche, die Prunksarkophage des ersten preußischen Königspaares im Berliner Dom und das legendäre Bernsteinzimmer, das seit Kriegsende verschollen ist.

Vom Ruhm zum Fall

In Italien machte sich Schlüter mit dem Werk der römischen Bildhauer-Architekten Michelangelo und Bernini vertraut. Von 1699 bis 1707 schuf er als Schlossbaumeister sein wichtigstes Werk, das Berliner Königsschloss im Stil des römischen Hochbarock. Von ihm stammen Schlossplatz- und Lustgartenfassade, der nach ihm benannte Schlüterhof mit kolossalen korinthischen Säulen und zahlreiche Innenräume. Auf der Höhe seines Ruhmes angelangt, galt er nun selbst als „Michelangelo des Nordens“. Als jedoch sein fast 100 Meter hoher Münzturm 1706 einstürzte, wurde er des Amtes als Schlossbaumeister enthoben, behielt jedoch weiterhin den Posten als Hofbildhauer. 1714 ging er nach St. Petersburg, wo er noch im selben Jahr starb. Aus Anlass des 300. Jahrestages seines Todes widmet ihm das Bode-Museum eine opulente Retrospektive.

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Schloss Bau Meister – Andreas Schlüter und das barocke Berlin
Bis 13. Juli 2014 Bode-Museum, Berlin

Ausstellungskatalog und
Stadtführer
Hirmer Verlag € 49,90/€ 9,90