Adolf Erbslöh
"Ein Ausprobieren von Neuem"
No. 01/2016
München 1904. Die Stadt ist eines der kulturellen Zentren in Europa, die Kunstszene im Umbruch begriffen. Der Münchner Jugendstil mit seinen ornamentalen Formen wird von den Zeitschriften Jugend und Simplicissimus befördert, während Künstlervereinigungen wie Secession und Scholle neue Akzente setzen. Von Bedeutung sind auch die privaten Malschulen, denn sie bilden Talente aus, die in ihren progressiven Malweisen mit den akademischen Traditionen brechen werden. In diesem Jahr fasst der 23+-jährige Adolf Erbslöh (1881-1947) nach Reisen in die Schweiz, nach Italien, Frankreich, Holland, Belgien und England in der Kunstmetropole Fuß.
Wegbereiter der Moderne
Erbslöhs gehobene gesellschaftliche Stellung, sein souveräner Umgang mit Menschen und sein kultureller Background als Spross einer etablierten Kaufmannsfamilie aus dem Theinland erlauben ihm ein erfülltes Leben, das er der Malerei widmet. So lässt er sich an Malschulen und Akademien unterrichten, befreundet sich mit Kollegen der Avantgarde, die er nach Hause einlädt, wo es „totfein“ zugeht, engagiert sich als Gründungsmitglied bei der Neuen Künstlervereinigung München und entwickelt in rund 50 Schaffensjahren verschiedene Positionen der Malerei: angefangen von flächiger, formvereinfachender Malerei in toniger Farbgebung über pointillistische Arbeiten, expressive Stadtansichten, Landschaften, Figurenbilder und Stillleben bis hin zu Interpretationen der Neuen Sachlichkeit.
Knapp 70 Jahre nach seinem Tod kommen den Autoren bei ihren Recherchen zum aktuell vorliegenden Werkverzeichnis eine Vielzahl an Fotografien zugute, die aus der Hand Erbslöhs stammen. Denn der Maler hatte nicht nur seine Aktmodelle abgelichtet, um sie als Vorlage für seine Kompositionen zu verwenden, sondern auch die fertiggestellten Gemälde fotografisch dokumentiert – grundlegende Informationen für die Rekonstruktion eines regen Schaffens, das nicht zuletzt durch erhaltene Notizen seiner Ehefrau Adeline und in intensiven Gesprächen mit den Enkeln nachgezeichnet werden konnte. Entstanden ist nach fünfjähriger Arbeit ein schöner Band mit rund 500 Abbildungen, die Adolf Erbslöh nicht nur als bedeutenden Vertreter der Klassischen Moderne ausweisen, sondern auch einen Überblick über die Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geben. af
Adolf Erbslöh (1881-1947) Werkverzeichnis der Gemälde Hrsg. von Karl & Faber, München Mit Beiträgen von Brigitte Salmen u. Felix Billeter Hirmer Verlag € 49,90