Die Handschrift der Visionärinnen

Surrealistische Kunst zwischen 1930 und 1960

No. 01/2025

Noch bis Anfang Juni zeigt das Bucerius Kunst Forum mit In Her Hands. Bildhauerinnen des Surrealismus die Zusammenschau dreier Künstlerinnen, die heute als bedeutende Vertreterinnen der internationalen Kunstbewegung zwischen 1930 und 1960 gelten: Sonja Ferlov Mancoba, Maria Martins und Isabelle Waldberg. Die Ausstellung vereint im lichtdurchfluteten Zentralraum des Kunst Forums unkonventionelle Skulpturen, deren Wiederentdeckung sich lohnt.

Maria Martins, O canto do mar, 1952, Privatsammlung, © Estate of Maria Martins. Foto: Vicente de Mello

Vor dem Zweiten Weltkrieg leben und arbeiten alle drei Frauen in Paris und sind Teil der internationalen Avantgarde, die sich dort formiert. Experimentell und innovativ arbeitet jede für sich an einer eigenen Ausdrucksform, die der surrealistischen Bildsprache entgegenkommt. Die Dänin Sonja Ferlov Mancoba (1911–1984) ist stark beeinflusst von archaischen Kunstformen, aber auch von der nordischen Künstlergruppe CoBrA, die damals eine gestisch freie Kunst feiert. In ihren charakteristischen, eher kleinformatigen Skulpturen aus Ton und Gips stellt Ferlov Mancoba abstrakte Wesen, Kriegerfiguren und Masken dar, die teilweise wie kultische Objekte anmuten. Erst später arbeitet sie zudem in Bronze und schafft – dem Material geschuldet – großformatige Plastiken wie Gemeinschaftliche Anstrengung (1963/64) für den öffentlichen Raum.

Die brasilianische Bildhauerin Maria Martins (1894–1973) und die in der Schweiz geborene Isabelle Waldberg (1911–1990) zieht es während des Krieges nach New York, was ihrem Œuvre den entscheidenden neuen Impuls liefert. Schnell werden sie zu zentralen Figuren im Kreis um Marcel Duchamp, Alberto Giacometti, Piet Mondrian und Peggy Guggenheim, die 1942 mit ihrer neu eröffneten Galerie „Art of This Century“ den Surrealismus in New York salonfähig macht. Frisch verheiratet ist sie damals mit Max Ernst, der ebenfalls emigriert ist und mit Skulpturen wie Le roi jouant avec la ­reine (1944) für Furore sorgt.

Maria Martins reist als Botschaftergattin rund um die Welt und lässt sich künstlerisch und handwerklich inspirieren. Sie verbindet in ihren organisch-figuralen Objekten die Mythen Amazoniens mit der Formensprache der Moderne: die monumentale Bronzeskulptur The Impossible/Das Unmögliche (1946) sowie O canto do mar/Das Lied des Meeres (1952) sind zentrale Ausstellungsstücke und zugleich herausragende Beispiele für die gekonnte Verschmelzung dieser unterschiedlichen Einflüsse.

Isabelle Waldberg geht ihren ganz eigenen Weg und beschäftigt sich in ihren filigranen Holzstrukturen, die oft von der Decke hängen, mit außereuropäischen Kulturen und den architektonischen Konstruktionen der Großstadt. Ihre linearen Werke sprechen am wenigsten die Sprache des Surrealismus. ck

In Her Hands. Bildhauerinnen des Surrealismus
Bis 1. Juni 2025
Bucerius Kunst Forum, Hamburg

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,–