Heilige Nacht

Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt

No. 04/2016

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ Dies sind die vertrauten ersten Worte der Weihnachtsgeschichte, so wie sie uns das Lukasevangelium im Neuen Testament übermittelt. Sie bilden auch das Fundament für die Ausstellung des Liebieghauses, das mit rund 100 kostbaren Objekten aus über 40 internationalen Sammlungen die Geschehnisse um die Geburt Jesu lebendig macht.

Maria in der Hoff nung, Schwaben, Anfang 16. Jh., Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt a.M. © Foto: Rühl & Bohrmann

Maria in der Hoff nung, Schwaben, Anfang 16. Jh., Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt a.M. © Foto: Rühl & Bohrmann

Die Weihnachtsgeschichte gehört zu den bekanntesten Erzählungen im christlich-abendländischen Kulturkreis. Gemeinsam mit dem, was der Evangelist Matthäus berichtet, bildet sie die narrative Grundlage dessen, wie wir uns die Geburt Christi im Stall zu Bethlehem vorstellen und jedes Jahr zur Weihnachtszeit wieder vor Augen führen. Allerdings liefern die beiden Evangelisten nur knappe Basisinformationen des ungeheuren Geschehens. Vieles, was wir gern wüssten und auch unsere Vorfahren gern gewusst hätten, wird nur angedeutet oder bleibt gänzlich ungesagt. Daher verwundert es nicht, dass schon im Frühen Christentum Texte kursierten, die die Frohe Botschaft ergänzten und erweiterten. Diese „apokryphen“ Texte (altgriechisch apokryphos: verborgen, dunkel) waren von der Amtskirche nicht anerkannt, doch bei den Gläubigen ungeheuer populär. Sie fanden ihren Niederschlag auch in den bildenden Künsten, die, besonders im Mittelalter, auf der Grundlage der Apokryphen, die Weihnachtsgeschichte fantasiereich ausschmückten.

Wahrheit oder Mär

arienaltärchen mit Geburt im Schrein, Flügel innen: Verkündigung/Heimsuchung/Darbringung, Malerei aus dem Umkreis des Altenberger Altars, Mittelrhein, um 1330, Privatbesitz © Foto: Rühl & Bohrmann

Marienaltärchen mit Geburt im Schrein, Flügel innen: Verkündigung/Heimsuchung/Darbringung, Malerei aus dem Umkreis des
Altenberger Altars, Mittelrhein, um 1330, Privatbesitz © Foto: Rühl & Bohrmann

Viele Einzelheiten, die für uns selbstverständlich sind, die wir im Krippenspiel in der Kirche darstellen oder die unsere Weihnachtskrippe daheim zeigt, entstammen also keinesfalls der Bibel: Dort werden weder Ochs noch Esel erwähnt, die Heiligen Drei Könige sind keine Könige, auch ist ihre Dreizahl nicht überliefert, geschweige denn, dass sie Caspar, Melchior und Balthasar hießen. Eine kluge Sonderausstellung im Frankfurter Liebighaus widmet sich passend zum Kirchenjahr in zehn Kapiteln mit rund 100 Exponaten, etwa aus der Hand von Schongauer, Dürer, Cranach d.Ä. oder Lorenzetti, der gewachsenen Bilderwelt der Weihnachtsgeschichte. Die gezeigten Kunstwerke, Skulpturen, Gemälde, Buchmalereien und figurenreiche Krippen aus Neapel und Tirol, stammen u.a. aus dem Metropolitan Museum in New York, dem Pariser Louvre und den Vatikanischen Museen.

Wir erfahren, dass sich die Gläubigen den heiligen Joseph als alten Herrn vorstellten, weil es so plausibler erschien, dass er Maria unberührt ließ, dass man die Heiligen Drei Könige als einen jungen, einen reifen und einen betagten Mann darstellte, um zu zeigen, dass alle Lebensalter dem Christkind huldigten, und es praktisch war, einen Esel im Stall zu haben, damit Maria mit dem Kinde auf der Flucht vor König Herodes nach Ägypten auf ihm reiten konnte. Der prachtvolle Katalog ist so klassisch gestaltet, dass man sich gut vorstellen kann, ihn auch in zehn oder 20 Jahren noch zu betrachten und den Zauber von Weihnachten auf sich wirken zu lassen. wr

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Heilige Nacht. Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt
Bis 29. Januar 2017 Liebieghaus, Frankfurt a.M. 
Hg. Stefan Roller
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 45,–