Vom Rauschen in den Bäumen

No. 01/2012

Andreas Giebel trifft seinen Freund und Lektor Rolf Cyriax.

Man ist froh gelaunt, wenn man Andreas Giebel treffen kann. Die Gespräche fließen unangestrengt, Heiterkeit liegt in der Luft, der Genuss wird kultiviert. Um die Ecke biegend sah ich ihn, vor dem kleinen Italiener stehend und rauchend …


© Andreas Giebel

© Andreas Giebel

Weißt, der Typ, der uns das Rauchverbot eingebrockt hat, kann, das hab ich gehört, seine Bodyguards nicht mehr bezahlen!

Das fand auch ich – als Nichtraucher – eine gerechte Strafe für diesen Frankensteiner. Bald saßen wir im Warmen, ein guter Weißer aus dem Friaul stand auf dem Tisch, und wir freuten uns, ihn gemeinsam genießen zu können. „Was hast du gerade gemacht?“, fragte ich ihn nach dem ersten Schluck.

Ich war in der Alten Pinakothek, hab mir mal wieder die Rubens-Bilder angeschaut … Seine Antwort verblüffte mich nicht, weil ich mich an die schräge Schilderung in seinem im Blessing Verlag erschienenen Buch Altstadtrebellen erinnerte:

Am längsten blieben wir stehen vor einem großen, einem riesigen Bild, vier mal sechs Meter oder sechs mal vier Meter, je nachdem, wie man es aufhängt. Das hat uns sehr begeistert. Peter Paul Rubens, Das Jüngste Gericht. Endlich mal Leiber! Formen!

Wer Andreas Giebel kennt, kennt seine Vorliebe für barocke Formen. Also magersüchtige Models hätten keine Chancen bei ihm.

Und dieser komische Stampfgang auf dem Laufsteg, oben immer ganz aufrecht, und unten trampeln die einem entgegen wie der Huber Bauer aus Untergriesbach. Und das nennen die dann auch noch Catwalking, aber Entschuldigung: So stampft keine Katze auf.

In seinen Kabarettprogrammen gesellen sich kleine poetische Passagen zu deftigen Schilderungen des täglichen Lebens, die er mit wuchtigem Körpereinsatz bringt. Er hat in seiner Kunst ein großes Vorbild: Hanns Dieter Hüsch, das schwarze Schaf vom Niederrhein, den leisen Poeten, der ihm am Anfang seiner Karriere manch guten Rat gab. (Dass ich Hüsch bei fünf Büchern als Lektor habe begleiten können, hat die Freundschaft mit dem Por trätierten verständlicherweise beflügelt.)

Und so zwitschern auch die Jungen

Im Frühjahr 1985 traf ich Hanns Dieter Hüsch in seinem kleinen Schwabinger Hotel. Er las beim Frühstück einen meiner komplizierteren Texte, sah mich danach lange an und fragte: „Und das spielen Sie auf der Bühne?“ Ich nickte etwas verunsichert. „Ja, dann wird das wohl so sein bei Ihnen: Kabarett, Kabarett, Kabarett“, ermutigte er mich. Ein paar Monate später lud er mich ins Mainzer „Unterhaus“ ein. Der Abend stand unter dem Titel Und so zwitschern auch die Jungen.

Die aktuelle Tagespolitik behandelt Giebel in seinen Programmen nur am Rande. Im Vordergrund stehen die großen und kleinen Fragen des täg lichen Lebens, und Komik wie Tragik, die nicht selten nah beieinanderliegen, spürt Giebel mit scharfer Beobachtungsgabe und zuweilen deftigem Sprachwitz nach. Er will Geschichten erzählen, groteske Geschichten, verblüffende, absurde, auch zu Herzen gehende Geschichten, und hier hat er es zu beacht licher Meisterschaft gebracht. Wir saßen, wie schon angedeutet, bei Vittorio und blickten aufs Münchner Lustspielhaus, wo Andreas mit seinem neuen Programm Das Rauschen in den Bäumen gastiert, und so fragte ich ihn, wie viele Programme er denn bis jetzt geschrieben hätte.

Geschrieben und gespielt hab ich eine ganze Menge. Aber wie viele … ich weiß es nicht.

Seit 1986 widmet sich der in München geborene Autor ausschließlich dem Kabarett, ist regelmäßiger Gast in Ottis Schlachthof, spielt in allen bekannten Kleinkunsttheatern in Deutschland und erhielt viele Auszeichnungen: Passauer Scharfrichterpreis, Deutscher Kleinkunstpreis, Deutscher Kabarettpreis u. v. a.

München 7 und anderes

Andreas Giebel ist in den vergangenen Jahren zudem immer häufiger als brillanter Schauspieler aufgefallen, hatte Rollen in verschiedenen Tatort-Produktionen, in den Rosenheim Cops und bei München 7, deren neue Staffel im März 2012 angelaufen ist. „Es ist offensichtlich, dass du gerne in Filmen von Franz Xaver Bogner spielst. Warum? Begeistern dich seine Bücher oder seine Regie?“ Das interessierte mich.

Sowohl als auch. Bogner ist ja, wenn man seine Arbeit würdigt, ein Gesamtkunstwerk. Er sucht sich explizit die Leute aus, mit denen er gerne arbeiten würde, dann verteilt er die Geschichten, die er im Kopf hat, auf die einzelnen Rollen. Und was mir bei Bogner besonders gefällt, dass die Sprache, also die bairische Sprache, auch das, was ungesagt bleibt, also die ganze Atmosphäre eine große Rolle spielen. Es ist ein wunderbares Arbeiten mit ihm.

Andreas spricht begeisternd von seiner Filmarbeit, sodass ich ihn fragte, ob es in deutschen, aber auch in internationalen Produktionen Kollegen gibt, die ihm Vorbilder waren oder sind.

Man hat natürlich Vorbilder, die einen das ganze Leben begleiten, zum Beispiel die Filme von Tati mit ihrem wunderbaren Witz, und dann die Filme von Milos Forman, die begeistern mich … schon die frühen tschechischen Filme, Feuerwehrball zum Beispiel, sehr komische, schräge Filme, in denen er einen Humor zeigt, der meinem sehr ähnlich ist, und toll, dass er den Zuschlag für Einer fl og übers Kuckucksnest bekam, also für mich gehört er zu den ganz Großen

„Ja“, ergänzte ich, „und Jack Nicholson bekam ja den Oscar, und der Film erhielt grandiose Kritiken. Wie war das bei dir? Hast du für deine Rollen mal enthusiastische Kritiken bekommen, mal auch vernichtende?“

Ich hab bei meinen frühen Kabarettprogrammen einige Verrisse gehabt, aber meist waren die Kritiker freundlich, ja, ich konnte ganz zufrieden sein, auch bei den Filmen, in denen ich mitgespielt habe und die ich später selbst gerne sehen konnte. Und wenn ich Programme von Kollegen kenne und dann negative Berichte lese, denke ich oft, da sind zwei verschiedene Welten zusammengetroffen: Kabarettist und Kritiker waren nicht auf einer Wellen länge.

An diesem Nachmittag war es bei uns beiden zum Glück nicht so. Wir haben lange miteinander geredet, manchen Schluck getrunken, Penne all`arrabbiata gegessen und einen Espresso mit Vecchia Romagna zu uns genommen. Da aber all das nicht ausreichte, gingen wir ins gegenüberliegende „Vereinsheim“ und taten etwas, was mich seit meiner Arbeit mit Andreas Giebel begleitet: Wir bestellten ein Reparaturpils.