Okwui Enwezor

Der Direktor vom Haus der Kunst im Dialog

No. 02/2012

Von Caroline Gockel

Sein warmes, dunkles Lachen hallt schon von weitem durch die langen Gänge des Hauses der Kunst. Als er dann durch die schwere Eichentür tritt und zur Begrüßung die Hände schüttelt, füllt er den ganzen Raum mit seiner charismatischen Präsenz.

Okwui Enwezor in der Ausstellung Matt Mullican, Haus der Kunst, 2011 © Andreas Gebert

Okwui Enwezor in der Ausstellung
Matt Mullican, Haus der Kunst, 2011 © Andreas Gebert

Okwui Enwezor, seit Mai Direktor des Haus der Kunst, ist eine außergewöhnliche Erscheinung im Kunstbetrieb. Sein eleganter Anzug, seine perfekten Umgangsformen und sein geschliffenes Englisch scheinen eher in die Vorstandsetage eines international agierenden DAX-Unternehmens als in die chaotische Welt der zeitgenössischen Kunst zu passen. Der 1963 in Calabar geborene Nigerianer studierte zunächst in New York Politikwissenschaften, bevor er seinem früh ausgebildeten Interesse, der Kunst, folgte. Als Quereinsteiger engagierte er sich für eine globale Erweiterung des internationalen Kunstbetriebs, der sich bis dahin weitgehend auf den euroamerikanischen Raum beschränkte. So spezialisierte er sich auf afrikanische Kunst und gründete 1994 die kunstkritische Zeitschrift Nka. Journal of Contemporary African Art. 1996 kuratierte er im Guggenheim Museum New York eine umfassende Schau zur Geschichte der afrikanischen Fotografie und 1997 die 2. Johannesburg Biennale. In Deutschland wurde er als erster außereuropäischer Leiter der 11. Documenta 2002 in Kassel bekannt. „Ich kenne Okwui Enwezor seit langem – als einen unglaublich inspirierenden Kollegen und Freund“, beschreibt ihn Chris Dercon, sein Vorgänger am Haus der Kunst: „Er ist nicht nur ein Kurator mit einer großen Vision, er ist auch ein hoch disziplinierter Theoretiker und Lehrer, ein begnadeter Autor und Redner“.

Ich will das zentrale Nervensystem verstehen

Okwui Enwezor,© Andreas Gebert

Okwui Enwezor © Andreas Gebert

Nach seinem Antritt in München hat sich Enwezor Zeit gelassen, der Öffentlichkeit ein neues Konzept für das Haus der Kunst vorzulegen. Das hängt einerseits mit noch bestehenden Verpflichtungen wie der Triennale 2012 in Paris und seiner Gastprofessur an der New York University zusammen, andererseits aber auch mit der großen Ernsthaftigkeit, mit der er seine neue Position bekleidet. „Meine Aufgabe sehe ich zunächst darin, mit dem Team ins Gespräch zu kommen und vor allem auch den Betrieb im Haus der Kunst kennenzulernen. Ich will das zentrale Nervensystem verstehen. Dieses Verständnis ist grundlegend, um die Inhalte für die Arbeit zu entwickeln. Ich kann nicht mit einem großartigen Programm ankommen, um dann festzustellen, dass es nicht in den Kontext passt“, erklärt er seine Zurückhaltung. Mit der Eröffnung der aktuellen Doppelausstellung Bild-Gegen-Bild und Geschichten im Konflikt zum 75-jährigen Jubiläum des Haus der Kunst wird nun deutlich, wie er Ausstellungen, Recherche und Wissensvermittlung miteinander verbinden will.

Wenn Okwui Enwezor über seine Vision für das Haus der Kunst spricht, unterscheidet er zwischen dem Haus als Hardware oder „Apparatus“, wie er es nennt, und der Software, den Ausstellungen und Projekten, die das Haus mit Leben füllen. Beide Entwicklungsprozesse treibt er parallel voran. So ließ er im Haus der Kunst alte Einbauten herausreißen, Treppenhäuser öffnen und ein einladendes Foyer sowie ein neues grafisches Erscheinungsbild schaffen. Auch der Ausstellungsbetrieb hat sich gewandelt, denn Enwezor betrachtet Forschung und Präsentationen als gleichwertig. Kunstvermittlung erschöpft sich bei ihm nicht nur in Ausstellungsrundgängen, Künstlergesprächen und museumspädagogischem Programm, sondern beinhaltet auch hochkarätig besetzte, wissenschaftliche Symposien. „Als Museumsdirektor ist man auf das Publikum fokussiert. Natürlich ist es schön, die Besucherzahlen zu vergrößern, aber es ist keine Notwendigkeit“, meint Enwezor im Hinblick auf eine mögliche Überforderung der Besucher: „Wir wollen, dass das Publikum versteht, dass unsere Arbeit nicht allein auf Unterhaltung basiert“.