Pracht auf Pergament

Die wertvollsten Buchmalereien entstanden in Bayern

No. 04/2012

Sie verlassen praktisch nie ihre Tresore, so hochkarätig, unbezahlbar und extrem empfindlich sind die über 1000 Jahre alten Prachtbände der Buchmalerei aus der Bayerischen und Bamberger Staatsbibliothek. Es kommt einer Sensation gleich, dass 75 der wertvollsten und wichtigsten Exemplare aus der Zeit von 780 bis 1180 in der Ausstellung Pracht auf Pergament der Münchner Hypo-Kunsthalle erstmalig versammelt zu sehen sind.

Evangelistar aus Altomünster, Verkündigung an die Hirten (Detail), Bayern (Tegernsee?), 1. Drittel 12. Jahrhundert

Evangelistar aus Altomünster, Verkündigung an die Hirten (Detail), Bayern (Tegernsee?), 1. Drittel 12. Jahrhundert

Die kostbaren Handschriften, die aus den Ausstellungsräumen der Hypo-Kulturstiftung eine Schatzkammer machen, sind neben Kirchen die einzigen Zeugnisse über die Zeit zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert. Sie sind wie Fenster, die mit ihren reichverzierten, goldenen und purpurfarbenen Ornamenten und Schriften uns den Blick auf das Weltbild des mittelalterlichen Europas ermöglichen. Viele der ausgestellten Handschriften sind in Bayerischen Klöstern wie Tegernsee, Freising und Regensburg entstanden, die über die besten Schreibschulen und Malzentren verfügten. Vier Exponate, die zum Weltkulturerbe gehören, stammen aus der kaiserlichen Werkstatt des Klosters der Insel Reichenau, darunter das Evangeliar Ottos III. und das Perikopenbuch Heinrichs II.

Perikopenbuch Heinrichs II. Nicht nur die reich mit Gold und leuchtenden Farben illuminierten Handschriften lassen den Besucher staunen. Auch die kunstvollen Einbände der Bücher, verziert mit Elfenbeinreliefs, Edelsteinen und Kameen, sind schon für sich großartige Meisterwerke und können in der Ausstellung mithilfe von am Boden befestigten Spiegeln von allen Seiten betrachtet werden. Darunter auch das älteste Exponat aus dem Jahr 450, eine Elfenbeintafel, die in einem der Einbände verarbeitet ist.

Das Herzstück der Ausstellung sind die Ottonischen Herrscherhandschriften, die aus einer glanzvollen Epoche der frühen abendländischen Buchmalerei stammen und mit großartigen Herrscherbildern die Heiligkeit des Kaisertums dokumentieren. Auf dem Rundgang durch die Ausstellung sollte man auf jeden Fall sein Augenmerk auch auf das Gebetbuch der Heiligen Hildegard von Bingen richten, die vor wenigen Wochen von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannt wurde, ebenso auf den ältesten Text in bayerischer Sprache: das um 870 entstandene Muspilli-Werk. Und wer von den sakralen Schriften genügend gesehen hat, auf den wartet noch ein echter Mordfall, dokumentiert in einem der ausgestellten juristischen Codizes. Im Medienraum der Ausstellung überrascht den Besucher eine technische Sensation: Hier kann man in einem der Prachtbände aus Reichenau nach Herzenslust blättern, das Buch von allen Seiten betrachten, es sogar in die Luft werfen, wenn man mag. Natürlich nicht mit dem Originalband, sondern an einem innovativen Bildschirm, der durch Gesten gesteuert wird und dem Besucher durch die Dreidimensionalität das Blättern und Lesen ermöglicht. um

978-3-7774-5391-0_3Dn
Pracht auf Pergament. Schätze der Buchmalerei von 780 bis 1180 
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München bis 13. Januar 2013 
Katalogbuch zur Ausstellung Hirmer Verlag € 49,90
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