Kult und Kultig

No. 04/2011

Nago Vodun Skulptur, Benin, Slg. M. Propper © Foto: Yuji Ono

Nago Vodun Skulptur, Benin, Slg. M. Propper © Foto: Yuji Ono

Nicht mehr lange und die Rauhnächte stehen uns ins Haus. Wer an den Vorabenden von Weihnachten, Silvester und Dreikönigstag Lust auf Gänsehaut hat, sollte sich in die Alpengebiete von Österreich und Bayern begeben. Denn dort laufen in Gruppen wilde Schreckensgestalten, die Perchten, durch die Straßen. Hinter meist furchteinflößenden Masken stecken unverheiratete, junge Männer. Sie pflegen ein seit Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgelebtes Brauchtum, das Geister und Dämonen mit lautem Glockengeläut daran hindern will, Unglück über die Menschen zu bringen. Die Perchten tragen die Holzlarven, weil sie sich dem Bösen auf Augenhöhe stellen, aber auch gleichzeitig unerkannt bleiben möchten. Die Masken werden mit viel Fantasie geschnitzt, da es keine historischen Vorlagen gibt.

Auch die Herstellung der Figuren und Puppen des westafrikanischen Voodoo-Kults – Voodoo heißt soviel wie

Schiachperchta, Salzburger Land © Tourismus Salzburg

Schiachperchta, Salzburger Land © Tourismus Salzburg

„Schutzgeist“ – ist der Einbildungskraft der Künstler geschuldet. Die menschenähnlichen Skulpturen – bocio – werden aus Holz, Knochen, Muscheln, Kordeln und Gewebefasern hergestellt. Die Glaubensmitglieder setzen die sowohl schrecklich als auch geheimnisvoll anmutenden Figuren bei rituellen Handlungen ein. Die Puppen sind ebenfalls – wie die Perchtenmasken – dazu bestimmt, Unheil abzuwenden und Heilkräfte auf die Mitmenschen zu übertragen. Doch trotz aller Parallelen unterscheiden sich die Traditionen in einem wesentlichen Punkt: das fünfhundert Jahre alte Brauchtum des Perchtenlaufens wird nicht magisch-rituell angewendet wie das bocio mit einer Jahrtausende alten Kulturgeschichte. Und ein junger Alpenländler, der als Percht „sein Unwesen treibt“, kann es noch lange nicht mit einem Voodoo-Priester aufnehmen! kh

9783777440316_3DnSonderausgabe
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