Dürer – Cranach – Hohlbein

Schau der Superlative: Die Porträtkunst in Deutschland um 1500

No. 04/2011

Nur wenige Schritte vom Gewusel der Nobel-Einkaufsstraße Münchens entfernt kann man zurzeit die Entdeckung des Menschen bewundern. Nein, es handelt sich nicht etwa um die Ausgrabung eines „Homo Bavariae“, es geht um große Kunst, um die einzigartige Ausstellung Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500 in der Kunsthalle der Hypo- Kulturstiftung München.

Noch nie wurde der frühen deutschen Porträtkunst eine vergleichbare, derart hochkarätige Ausstellung gewidmet. Sie ist in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum in Wien entstanden und vereint Prachtstücke aus renommierten Sammlungen. Neben den Titel gebenden drei Hauptkünstlern, die aus heutiger Sicht in Bayern beheimatet sind – Albrecht Dürer (1471–1528, geb. in Nürnberg), Lucas Cranach d. Ä. (1472 –1553, geb. in Kronach) und Hans Holbein d. J. (1497/98 –1543, geb. in Augsburg) – werden ihre wichtigsten Künstlerkollegen mit insgesamt rund 170 Exponaten vorgestellt. Darunter auch Arbeiten aus den Bereichen Bildhauerei, Numismatik, Grafik und Zeichenkunst.

Lucas Cranach d. Ä., Bildnis dreier Damen, vielleicht die Prinzessinnen Sibylla, Emilia und Sidonia, um 1535 © Kunsthistorisches Museum Wien

Lucas Cranach d. Ä., Bildnis dreier Damen, vielleicht die Prinzessinnen Sibylla, Emilia und Sidonia, um 1535 © Kunsthistorisches Museum Wien

FALTEN, REICHTUM, SILBERBLICK

Der eine schielt, dass es einem schwindelig wird, der andere blickt schmallippig auf seine goldbehangene Gattin, der dritte – Wilhelm IV., Herzog von Bayern – wird gar auf dem Totenbett gezeigt, grauselig entstellt nach einem Schlaganfall. Im ausgehenden 15. Jahrhundert, am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit, gibt es in Europa nicht nur dramatische Veränderungen in Religion, Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch in der Malerei. Der Mensch rückt als autonomes Individuum ins Zentrum des künstlerischen Interesses. Gemalt von den größten Künstlern ihrer Zeit, werden Kaiser, Könige und Königinnen, reiche Kaufleute, Reformatoren aber auch Dirnen, Verbrecher, Handwerker und Bauern authentisch und mit psychologischem Scharfblick abgebildet. Mit schonungsloser Offenheit schrecken weder Maler noch Auftraggeber vor der Darstellung des für den Porträtierten wenig Schmeichelhaften zurück – der so der Nachwelt erhalten bleibt. Inwieweit die Bilder der Realität entsprachen, kann man heute nicht mehr nachprüfen. Wie das Beispiel Erasmus von Rotterdam zeigt, konnte die eigene Wahrnehmung des Abgebildeten und die der anderen durchaus voneinander abweichen: der niederländische Gelehrte bestritt damals jegliche Ähnlichkeit mit einem Dürer-Stich.

EIN INTERNATIONALES HIGHLIGHT

Diese Ausstellung ist mehr als empfehlenswert, sie ist ein Highlight innerhalb des internationalen Ausstellungskanons und eine wunderbare Ergänzung zur viel beachteten Berliner Schau Gesichter der Renaissance (vgl. S.1). Wer schon einmal versucht hat, seinen Kindern die Alten Meister nahezubringen, kann bei der Ausstellung Dürer – Cranach – Holbein aufatmen. Die Ausstellungsmacher bieten nicht nur Extraführungen für Kinder an, sondern auch ein Kinderatelier, das den Nachwuchs spielerisch an die Thematik heranführt. Spannend ist dies allemal, denn viele der Porträts erzählen interessante Geschichten, in denen es um Gold, Edelsteine, Waffen, Schicksale, Streit und Versöhnung geht – nachzulesen in dem zur Ausstellung erschienenen Katalog- Buch vom Hirmer Verlag. kum

9783777437019_3Dn
Bis zum 15. Januar 2012 
Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500
Hg. Kunsthistorisches Museum Wien
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München 
Katalog: Hirmer Verlag € 39,90
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