EVA & ADELE

Eine Zeitmaschine in Berlin

No. 02/2014

Interview von Cornelia Gockel

EVA & ADELE sind die auffälligsten Erscheinungen des internationalen Kunstbetriebs. Freundlich lächelnd, perfekt geschminkt und in damenhaften Kostümen sieht man sie auf nahezu allen wichtigen Großereignissen.  Die Bilder, die Journalisten und Privatleute von EVA & ADELE machen, gehen seitdem um die Welt. Unsere Autorin Cornelia Gockel besuchte die beiden in ihrem Berliner Atelier.

Eva & Adele, Tides 16, 2012 Courtesy Galerie Nicole Gnesa, München, Foto Lea Gryze

Eva & Adele, Tides 16, 2012 © Courtesy Galerie Nicole Gnesa, München, Foto Lea Gryze

CG: Auf eurer Webseite steht: „kommen aus der Zukunft“. Was meint Ihr damit?

E: Wir sind mit der Zeitmaschine kurz vor Beginn des 21. Jahrhunderts in Berlin gelandet, was die positive Folge hatte, dass die Mauer umgefallen ist. Unsere Zusammenarbeit begann zur selben Zeit, als sich das berühmte Künstlerpaar Marina Abramowitsch und Ulay trennte. Das war für uns ein Denkanstoß. Denn die beiden hatten sich eine Rückkehrmöglichkeit offengelassen, weil sie ihre Namen nicht aufgegeben haben. Wir dagegen haben unser gesamtes Potenzial in unser Werk EVA & ADELE gelegt und somit eine neue Gschichtsschreibung begonnen.

CG: Bekannt wurdet Ihr 1991 durch eine Performance in Berlin.

A: Das war bei Metropolis, der ersten großen Ausstellung nach der Wiedervereinigung im Martin-Gropius-Bau. Wir haben uns zu diesem Anlass zwei glamouröse Hochzeitskleider nähen lassen und uns vorgenommen, ab diesem Zeitpunkt immer gleiche Kleider zu tragen, was wir nun seit 23 Jahren tun. Mit dem Auftritt wollten wir die doppelte Zweigeschlechtlichkeit zelebrieren, aber auch darauf Bezug nehmen, dass nun Deutschland wieder vereint ist.

CG: Seit 1992 tretet Ihr neben euren Performances auch mit einem bild-künstlerischen Werk in Erscheinung.

A: Die besondere Leistung ist, dass wir das Performative mit der Malerei vereinen. Malen ist uns wichtig – auch wegen der nötigen Reflexion und der Einsamkeit im Atelier im Gegensatz zur öffentlichen Performance. In der Kunstszene heißt es ja, dass so etwas nicht möglich ist, als ob es da irgendwelche dummen Regeln geben würde. Ein bisschen Zeichnung, Fotografie und Video wäre neben der Performance möglich, hat man uns früher geraten, aber Malerei nicht.

CG: Und schon gar nicht solch opulente Werke mit Glitzer …

A: Ja, genau, als ob es da eine Kunstpolizei geben würde. Wir beanspruchen für uns aber die ganze schöpferische Freiheit. Das kostet natürlich viel Kraft, das auch durchzuhalten. Seit den 1990er Jahren ist es uns wichtig, die Leinwände zu flittern. Berlin war so grau und spröde, dass wir dem mit Glitzerpartikeln etwas dagegen setzen mussten. Die Bilder lassen wir oft eine Zeitlang stehen, um an ihnen später weiterzuarbeiten.

E: Zeit ist für uns ein ganz wichtiges Medium. Wir sind mit der Zeitmaschine in der Gegenwart gelandet und da war schon einiges Material darin, dem wir uns gestellt haben. Diese neuen Bilder, die auch ab September in der Galerie Nicole Gnesa ausgestellt werden, haben eine Entstehungszeit von Anfang der 1990er Jahre bis jetzt mit vielen Wartezeiten dazwischen. Sie wurden in das Triebwerk der Zeitmaschine eingeklinkt, um dann später wiederentdeckt zu werden.

EVA & ADELE in der Ausstellung Rembrandt Bugatti, Alte Nationalgalerie Berlin Foto: Galerie Nicole Gnesa

EVA & ADELE in der Ausstellung Rembrandt Bugatti, Alte Nationalgalerie Berlin Foto: Galerie Nicole Gnesa

CG: Wie läuft der Arbeitsprozess? Gibt es eine feste Aufteilung für die anstehenden Aufgaben?

A: Wir lassen uns gegenseitig viele Freiheiten. Es ist ein konzeptuelles Werk, aber das heißt nicht, dass wir Individualität und Leidenschaft damit ausklammern.

E: Das ist ein sehr komplizierter Prozess, bei dem wir uns immer wieder gegenseitig überraschen. Und das ist nicht immer angenehm. Aber es ist für uns wichtig, dass die Arbeit im Atelier nicht zur Routine für uns wird.

CG: Wir organisiert Ihr euren Alltag?

E: Wir brauchen drei Stunden bis wir rasiert, geschminkt und angekleidet sind. Deshalb müssen wir uns alle Abläufe ganz genau überlegen. Wir haben sogar eine Choreografie, wie wir öffentliche Toiletten benutzen. Kompliziert wird es bei Arztbesuchen wie kürzlich beim Zahnarzt, die wir auch als Performance inszenieren.

CG: Was war die kritischste Situation, die Ihr erlebt habt?

E: Wo Sie aus Bayern kommen – wir hatten ein schreckliches Erlebnis mit bayerischen Busfahrern, die ihre Fahrgäste auf einem Vaporetto in Venedig auf unsere Kosten unterhalten wollten. Sie schlugen vor, uns ins Wasser zu werfen, um zu sehen, ob wir dann absaufen. Wir haben schreckliche Angst bekommen, weil wir sehr enge Röcke trugen, in denen wir sicher nicht hätten schwimmen können. Um uns zu wehren, haben wir einen nach dem anderen mit den Augen fixiert und gelächelt. Die konnten unserem Blick nicht standhalten und waren so irritiert, dass sie ihren Plan wieder verworfen haben.

CG: Ihr seid jetzt auch zu einer großen Gruppenausstellung in Russland eingeladen. Werdet Ihr da zur Eröffnung hinfahren? Putin ist nicht dafür bekannt, besonders tolerant gegenüber Homosexuellen und Zwitterwesen zu sein.

A: Wir haben uns entschieden, nicht nach Moskau zu fliegen, sondern das Video FUTURING zu schicken, ein einstündiges Realzeitvideo, ein Tableau vivant, in dem wir abwechselnd unsere Worterfindung „FUTURING“ sagen und lächeln. Demnächst ist eine Einzelausstellung in Moskau vorgesehen, zu der wir dann mit entsprechender Planung auch zur Eröffnung kommen wollen. Wir werden sicher nicht blauäugig dorthin fahren, aber ein Restrisiko bleibt immer.