Point of no return

Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst

No. 03/2019

30 Jahre ist es her, seit mit den Friedensgebeten in der Leipziger St. Nikolaikirche und den anschließenden Montagsdemonstrationen die friedliche Revolution in der DDR begann, die am 11. November 1989 zum Fall der Berliner Mauer und binnen Jahresfrist zur deutschen Einheit führte. Dieses Jubiläum nimmt das Leipziger Museum der Schönen Künste zum Anlass, um in einer großartigen Bilderschau den Fragen nachzuspüren, wie sich die ostdeutsche Kunst zu den dramatischen politischen Ereignissen positionierte und wie sie von der sich wandelnden Gesellschaft rezipiert wurde.

Norbert Wagenbrett, Auf‌bruch, aus dem Zyklus Sieben Bilder zur Geschichte der Sowjetunion, 1989/90, Kunstarchiv Beeskow, Foto: Andreas Kämper, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Die Mega-Schau, die noch bis zum 3. November läuft, nimmt 106 Künstler aus drei Generationen in den Fokus. Vertreten sind diese mit mehr als 300 Werken aller Kunstgattungen auf einer Ausstellungsfläche von 2000 Quadratmetern. Faszinierend sind die Vielfalt an Sujets, Stilrichtungen und nicht zuletzt die Biografien der Künstler, die recht unterschiedlich politische Position bezogen.

Zwei prominente Vertreter der Leipziger Malerschule, Bernhard Heisig und Werner Tübke, gaben in der Phase des Zusammenbruchs der DDR ihre Nationalpreise an die Staatsführung zurück, zweifelsohne, um den Anschluss an die politische Wende nicht zu verlieren. Wolfgang Mattheuer hatte sich bereits Jahre zuvor von der DDR-Kulturpolitik distanziert. Nur Willi Sitte, von 1974 bis 1988 Präsident des Verbandes Bildender Künstler, kommentierte die Wendemanöver seiner Kollegen sarkastisch: „Offensichtlich haben außer meiner Person nur Widerstandskämpfer im Verband Bildender Künstler gewirkt.“

Neben der ältesten Generation der DDR-Maler mit Jahrgängen zwischen 1920 und 1930 stellt die Ausstellung die zwischen 1950 und 1960 Geborenen vor. Sie haben Ausbildung und erste Erfolge in der DDR erfahren. Den meisten ist gemein, dass sie Vertreter einer gegenständlichen Kunst sind. Am bekanntesten ist Neo Rauch, international erfolgreich als einer der teuersten Maler der Gegenwart. In dieser Generation gibt es zahlreiche Neuentdeckungen wie T‌homas Florschuetz, Ellen Fuhr und Angela Hampel. Bekannt sind zu Recht Lutz Friedel und Albrecht Gehse. Die dritte Gruppe ist zwar noch in der DDR geboren, hat aber ihre künstlerische Entwicklung erst nach der Wende erfahren. Nach 1989 gab es westdeutsche Kritiker, die der DDR-Kunst des Sozialistischen Realismus jeden künstlerischen Wert absprachen, da sie Auf‌tragskunst für Staat und Partei und damit Propaganda gewesen sei. Dieses Pauschalurteil gilt heute als überholt: Die Ost-Kunst und ihre Nachfolger erfreuen sich heute großen Interesses und Wertschätzung – was verständlich wird, wenn man Ausstellung und Katalog betrachtet. Das Buch vereint thesenartig zugespitzte Essays sowie Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Kurzprosa renommierter Autoren. Der buchkünstlerisch aparte Band gleicht schon deshalb einem Lexikon, weil die Künstler alphabetisch geordnet sind und jedem ein knapper, tabellarischer Lebenslauf beigegeben ist. wr

Cover für Point of no ReturnPoint of No Return
Wende und Umbruch in der Ostdeutschen Kunst
Bis 3. November 2019
Leipziger Museum der Schönen Künste
Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,-