Ochs und Liesel

Historische Schützenscheiben

No. 04/2015

Lange Zeit schlummerte der Schatz im Verborgenen – die historischen Schießscheiben aus dem reichen Fundus der Freisinger Feuerschützen. Eine Ausstellung im Stadtmuseum Freising zeigt erstmals diese Zeitzeugen der besonderen Art und schlägt damit einen Bogen von der Epoche der Fürstbischöfe bis zur Gegenwart.

Schon bevor er seinem Schicksal auf der Schlachtbank zugeführt wurde, hatte der Ochse keine Chance: Sein gesenkter Kopf ist von Einschusslöchern durchsiebt, und auch den Bauern, der das Tier am Strick führt, hat es am Ellenbogen erwischt: Diese Schützenscheibe, bemalt mit einer damals beliebten bäuerlichen Szene, stammt aus dem Jahr 1684 und wurde anlässlich des Geburtstags von Fürstbischof Sigismund von Bayern gestiftet. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde es Brauch, auf bemalte Scheiben zu zielen. Diese Geburtstagsscheibe gehört damit zu den ältesten erhaltenen Exemplaren in Bayern und bildet den Auftakt zu der außergewöhnlichen Ausstellung Freising im Visier im Stadtmuseum.

Zu seinem 125-jährigen Jubiläum präsentiert der Historische Verein Freising 107 Schützenscheiben aus drei Jahrhunderten. Sie alle stam- men aus dem Bestand der Königlich-Privilegierten Freisinger Feuerschützen und wurden nach ihrer aufwändigen Restaurierung dem Freisinger Stadtmuseum als dauerhafte Leihgabe zur Verfügung gestellt. Durch die chronologische Anordnung der Exponate, deren Motive sich durch die Jahrhunderte veränderten, gleicht der Rundgang einer Zeitreise durch die Freisinger Stadtgeschichte. Die Abbildungen reichen von Alltagsszenen bis hin zu besonderen historischen Ereignissen: Allegorien und Wappentiere wie der Freisinger Bär, Jubiläen von Monarchen, Hochzeitsscheiben mit antiken Landschaften, ein Whiskey-Fabrikant aus Chicago mit Freisinger Wurzeln, die Bavaria mit rot-gold- schwarzer Fahne anlässlich der Revolution von 1848 oder das Porträt einer „Schützenliesel“ aus dem Jahr 1972 – sie alle finden hier ihren bildlichen Niederschlag auf den hölzernen Schützenscheiben. Nicht immer war es für Ulrike Götz, Leiterin des Freisinger Stadt- museums, einfach, die Bedeutung, den zeitgeschichtlichen Bezug oder den Maler einer jeden Schützenscheibe herauszufinden. Hierbei erwies sich das historische Protokollbuch der Schützengesellschaft als hilfreich, das ebenfalls als Dauerleihgabe im Museum beheimatet ist.

Für die authentische Atmosphäre der Ausstellung sorgt nicht zuletzt die Idee, die Schützenscheiben nicht an den Wänden anzubringen, sondern sie wie beim Wettbewerb im freien Raum und auf stabilen Ständern ruhen zu lassen. Zur Ausstellung ist ein Band erschienen, der in reicher Bildvielfalt die Exponate abbildet, die historischen Zusammenhänge darlegt und die jeweiligen Bildtypen, Maler und Schützen – soweit bekannt – vorstellt. cv

Freising im Visier
Bis 17. April 2016 Stadtmuseum Freising
Publikation zur Ausstellung 43. Sammelblatt 
des Historischen Vereins Freising € 32,–