Nicht von dieser Welt

Die italienischen Magier

No. 03/2018

Dem Magischen Realismus, einer sehr eigenen und bisher wenig beachteten Strömung der  italienischen Avantgarde, widmet derzeit das Folkwang Museum eine umfassende Ausstellung. Untersucht wird eine in Deutschland weitgehend unbekannte Kunstrichtung, die dem Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit zwar verwandt ist, aber doch eine ganz eigenwillige Ausprägung hat.

Ubaldo Oppi, Die Frau des Künstlers vor venezianischer Kulisse, 1921, Collezione Privata Roma, Foto: Carlo Baroni

Von Caroline Klapp

Anhand von mehr als 80 Exponaten lässt sich erfahren, was den Realismo Magico ausmacht, der zwar beeinflusst, aber nicht zu verwechseln ist mit der Pittura Metafisica. Diese war bereits zehn Jahre früher entstanden und hatte ihre Hauptvertreter in Carlo Carrà und Giorgio de Chirico. Vor allem Letzterer bildete mit seinen von starren Gliederpuppen bevölkerten Arkadenarchitekturen und mystisch verwaisten Plätzen die künstlerische Basis für die Entwicklung des neuen Stils: die Hinwendung zur nüchternen Gegenständlichkeit als radikaler Gegenentwurf zu experimentellen Bewegungen wie Futurismus, Kubismus und Suprematismus, die sich sukzessive in Richtung Abstraktion entwickelt hatten. Ebenso wie die Neue Sachlichkeit in Deutschland stand der Magische Realismus im Zusammenhang mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Obwohl Italien auf der Gewinnerseite stand, befand es sich in den 20er Jahren in einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise, die zu Unruhen im Land führte. So gab es auch hier die von Jean Cocteau geprägte und in ganz Europa viel zitierte Sehnsucht nach einer „Rückkehr zur Ordnung“. In dieser Zeit entstanden atmosphärische Bilder von verstörender Schönheit: Der Welt entrückt und aus Zeit und Raum gefallen sind Stillleben, Porträts, Interieurs mit Masken und Landschaften von Ubaldo Oppi, Antonio Donghi, Felice Casorati, Gino Severini und Edita Broglio u.a., deren Duktus und Farbgebung an die italienische Malerei des Quattrocento erinnern. Ihnen haftet etwas Unwirkliches an, und oft ist es nicht auszumachen, ob es sich um Idylle oder Traurigkeit, um Erschöpfung oder Fortschrittsglauben handelt, die hier vermittelt werden sollen. Gerade diese, den Bildern innewohnende Zweideutigkeit, die Tatsache, dass die Gegenstände zwar in aller Deutlichkeit und Präzision gezeigt werden, das Wesentliche aber verborgen bleibt, scheint den Begriff des Magischen zu rechtfertigen: Das Rätsel bleibt immer ungelöst.

Cover für Unheimlich realUnheimlich real
Italienische Malerei der 1920er Jahre
Bis 13. Januar 2019
Museum Folkwang, Essen

Katalog
Hirmer Verlag € 39,90